MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Mit dem Zauber eines Märchens

26.09.2024 | Romanverfilmung „Der Buchspazierer“ beim Filmfest Hamburg

Schon beim Erscheinen des Romans „Der Buchspazierer“ entdeckte der Hamburger Produzent Daniel Hartmann das filmische Potenzial in dem Stoff und die tragischen Momente in der Komödie. Beim Filmfest Hamburg feiert die zum Teil in Hamburg gedrehte Verfilmung von Regisseur Ngo The Chau mit dem bezaubernden Duo Christoph Maria Herbst und Yuna Bennett Premiere.

Von Britta Schmeis

Bei Daniel Hartmann muss sich bereits bei der Lektüre eines Romans oder auch eines Drehbuchs ein Film im Kopf abspielen. „Für mich ist entscheidend, dass die Figuren zu Herzen gehen und es einen spannenden Plot gibt mit ein paar Wendungen.“ All diese Voraussetzungen erfüllte „Der Buchspazierer“ von Carsten Henn, als der im November 2020 erschien. Noch dazu geht es um Isolation, Freundschaft und Zusammenhalt, Themen, die viele Menschen damals im zweiten Lockdown der Corona-Pandemie, beschäftigten. Und damit nicht genug. „Der Roman hat einfach eine tolle Tonalität, etwas Märchenhaftes was mich direkt an ‚Die fabelhafte Welt der Amelie‘ erinnerte“, erzählt Daniel Hartmann. Er ist Produzent bei der Hamburger Filmproduktionsfirma Wüste Film. Viele Jahre hat er Krimis entwickelt und betreut, mit dem „Buchspazierer“ widmete er sich einem ganz neuen Genre. 

„Der Buchspazierer“ ist ein Märchen und so inszeniert Regisseur und Drehbuchautor Ngo The Chau ihn auch. Märchen gehen bekanntermaßen gut aus, das macht sie so heimelig, herzerwärmend und tröstend. Das macht sie erwartbar, könnte man meinen. Die Kunst ist es, diese Erwartbarkeit nicht in Langeweile umschlagen zu lassen. Und genau diese Kunst beherrscht Ngo The Chau. „Ich denke, es liegt an den bezaubernden Figuren, denen man folgen will und für die man sich wünscht, dass ihre Geschichte ein gutes Ende nimmt“, sagt Produzent Daniel Hartmann. 

„Man will diesen bezaubernden Figuren einfach folgen und wünscht sich, dass ihre Geschichte ein gutes Ende nimmt.“ 

Daniel Hartmann, Produzent von „Der Buchspazierer“

Und in der Tat ist jeder einzelne Charakter voller Liebe, immer mit ein wenig Komik und auch Tragik angelegt. Da ist zuallererst der kauzige Carl Kollhoff, jener Buchhändler, den die neunjährige Schascha schon bald den Buchspazierer taufen wird. Die Tage von Carl als klassischer Buchhändler sind gezählt, ein Finalist aus Hamburg hat die Übernahme bereits in Gang gesetzt. Doch Carl bringt weiter einigen Kundinnen und Kunden tagtäglich ein ganz persönliches Exemplar nach Hause. Niemals tritt er ein, immer hat er die Bücher sorgsam ausgewählt und säuberlich eingepackt. 

Christoph-Maria Herbst als kauziger Buchhändler / Credit: Bernd Spauke

Liebevoll gezeichnete Figuren mit Macken 

Jeder einzelnen Person hat Carl einen Namen aus einem bedeutenden literarischen Werk gegeben: Den reichen, aber vereinsamten Aristokraten nennt er Mister Darcy, die verängstigte, in einer bunten Villa lebende Lehrerin Frau Langstrumpf, die unglücklich verheiratete junge Frau Effi Briest und den in einer kleinen, wenig heimeligen Einzimmerwohnung lebende Bodybuilder Herkules. All diese Menschen sind voller Macken wie Carls selbst und alle lässt Carl so sein, wie sie sind. 

Das ändert sich, als Schascha in sein Leben tritt, die sich ihm ungefragt anschließt, sich vom Flohmarkt ein ähnliches Outfit zulegt – schön altmodisch alles – und die mit den Kundinnen und Kunden spricht, ihnen Fragen stellt, um Einlass bittet. Die Liebe zu Büchern hat sie von ihrer kürzlich gestorbenen Mutter, die sich ebenso wie Carl immer erst die Finger gerieben hat, am Buch roch, bevor sie es aufschlug. Es ist einer dieser vielen sinnlichen Momente in dem Film, wenn die Kamera Carl dabei ganz nah kommt.

Hochkarätiges Ensemble mit viel Spielfreude 

Doch die Freundschaft seiner Tochter zu dem alten Herrn behagt Schaschas Vater gar nicht, er verbietet sie – aus Unsicherheit und Angst auch noch sie zu verlieren. So haben alle Figuren mit ihren inneren Dämonen zu kämpfen, die sie teils verstecken, teils verdrängen, einige auch ausleben. Mit ihren tiefen seelischen Verletzungen bieten sie wohl jedem eine Projektionsfläche. Das Mädchen Schascha pflegt bei aller Trauer den gesündesten Umgang mit ihrem Kummer – und den vielen unterschiedlichen Menschen. 

Für die Besetzung haben Produktion, Cast und Regisseur ein außergewöhnliches Ensemble gewinnen können: Der sonst für eher zynische Rollen bekannte Christoph Maria Herbst verkörperte den zutiefst traurigen und sich in die Einsamkeit der Bücher zurückziehenden Carl mal klapprig-alt, mal von Schaschas kindlicher Unbeschwertheit angesteckt übermütig-fröhlich. Yuna Bennett gibt die ideale Sparringpartnerin. Hinzukommen Ronald Zehrfeld als Schaschas Vater, Edin Hasanović als Mister Darcy, Maren Kroymann als Lehrerin, Hanna Hilsdorf als Effie Briest und Tristan Seith als Herkules. Ihnen allen ist die Spielfreude anzumerken.   

Regisseur Ngo The Chau mit dem Ensemble / Credit: Wolfgang Ennenbach

Herzerwärmende Idylle und Kitsch voller Hoffnung 

Ngo The Chu taucht diese Kleinstadt, in dem all diese Charaktere leben, ständig in wärmendes Sonnenlicht, über die Straßen sind bunte Girlanden gespannt, die Menschen schlendern mit riesigen Körben voller frischem Obst und Gemüse durch die Gassen, nur hier und da ist mal ein Neubau, etwas Sperrmüll zu sehen, ansonsten ist dieser Ort mit all seinen Menschen wie aus der Zeit gefallen. Alles ist stets – trotz so mancher ganz individueller Bedrohung - bunt und voller sinnlicher Leichtigkeit in Bilder gegossen. 

Gedreht wurde diese Idylle im niederbergischen Velbert-Langenberg zwischen Düsseldorf, Essen und Wuppertal sowie in Stolberg bei Aachen. „Wir wollten die Geschichten nicht verorten“, sagt Produzent Daniel Hartmann. So erhält er nicht nur dieses Märchenhafte, sondern auch Allgemeingültige. Die Innenaufnahmen diese von der MOIN Filmförderung Schleswig-Holstein unterstützen Films entstanden überwiegend in Hamburg. So wurde etwa die Buchhandlung in einem Gebäude an der Stresemannstraße eingerichtet. „Als Hamburger Produktionsfirma haben wir hier einfach einen Heimvorteil, wir haben ein großes Netzwerk, kurze Wege und super Produktionsbedingungen“, schwärmt er.  

„Der Buchspazierer“ ist ein Film, der die Herzen berührt zu Tränen rührt und mitunter dem Kitsch verfällt und damit ein zauberhaftes Märchen erzählt, das Hoffnung weckt und oft gar nicht so weit von der Realität entfernt ist. 

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