
Reha in der virtuellen Realität
11.06.2018 | Neues VR-Projekt aus Hamburg
Ein neuer Meilenstein im Rehabilitationsbereich? Mit VR und Augmented Reality entwickelt der Hamburger Mediziner Taher Pham gerade ein neues Reha-Programm, das Patienten mit Gamification-Ansätzen auf Profisportniveau trainieren lässt. Bei der kommenden Hamburg Animation Conference am Dienstag, 19. Juni, wird er sein Projekt vorstellen.
Eine Reha-Behandlung auf Profisportniveau machen und dabei auch noch Spaß haben – was sich im ersten Moment fast schon kategorisch ausschließt, könnte in nicht allzu ferner Zukunft Realität werden. Mit der Hilfe von Virtual und Augmented Reality will der Mediziner Taher Pham die hiesige Reha-Landschaft gehörig umkrempeln: VReha Pro heißt das Projekt, das der Stipendiat der Friedrich-Naumann-Stiftung seit knapp einem Jahr verfolgt. Gemeinsam mit dem ärztlichen Leiter des Athleticums am Uniklinikum Hamburg, PD Dr. Götz Welsch, arbeitet er an einem Trainingskonzept, das sich zwar am Profisport orientiert, jedoch auch für normale Reha-Patienten funktionieren soll: „Wir wollen, dass der normale Mensch Zugriff auf ein richtig gutes Reha-Programm hat – und später auch ohne Physiotherapeuten trainieren kann", sagt Pham. Ein ehrgeiziges Ziel, das mit Hilfe von Dr. Welsch, der auch Mannschaftsarzt des HSV ist, bald Wirklichkeit werden könnte. Doch wie genau funktioniert das neue Programm?

Reha meets Gamification
Mit der Hilfe von Bewegungstracking wird jede Bewegung des Patienten durch eine Kamera genau aufgenommen. Durch eine VR-Brille sieht der Patient sein Skelett vor sich und bekommt von der Software sofort zurückgespiegelt, an welcher Stelle er die Bewegung falsch macht. Man ist also in der Lage, sich mit der Software selbst zu überwachen. Die unterschiedlichen Übungen werden natürlich vorher mit dem Arzt besprochen. „Der Patient muss in eine entsprechend ausgestattete Praxis gehen und diverse Tests durchlaufen. Anschließend bekommt er dann ein passendes Trainingsprogramm zusammengestellt, das im Reha-Zentrum durchgeführt wird", so Pham. Dabei liegt der Reiz für den Patienten nicht nur in der Selbstkontrolle, sondern besonders im Gamification-Ansatz. Wer möchte, kann durch die VR- Brille auch im Dschungel trainieren oder in ein Supermankostüm schlüpfen. Den Möglichkeiten für den eigenen Avatar oder die Umwelt sind hier kaum Grenzen gesetzt. „Du kannst dich beispielsweise auch auf ein Balance-Pad stellen und hast durch die VR-Brille das Gefühl, über ein Seil zu balancieren oder musst Gegenständen ausweichen", verrät der Mediziner. Wenn eine Übung beendet ist, applaudiert das imaginäre Publikum. Auch eine Energieanzeige, die sich je nach Leistung füllt und senkt, ist denkbar. Der Patient arbeitet sich nach diesem Prinzip von Trainingslevel zu Trainingslevel.

Das VR-Team
Um den Gamification-Ansatz voranzutreiben, wurde vor einigen Wochen ein Gamedesigner von der Uni Hamburg ins Boot geholt, auch über die Zusammenarbeit mit einer Spielefirma wird nachgedacht. Doch damit allein ist die Arbeit natürlich nicht getan. Den Löwenanteil der Programmierarbeit hat die Hamburger Firma Absolute Software übernommen, zwei Programmierer sind für das VR-Projekt zuständig. Mit Oliver Rößling hat Pham zudem einen bestens vernetzten Fachmann an die Hand bekommen, der in der Hansestadt schon Formate wie 12min.me oder auch nextReality.Hamburg mit verantwortet hat. Entwickelt wird das Programm im Rahmen des EU-Projekts cross motion, das seit 2016 die AV- und Videogames-Branche mit den Geschäftsfeldern Bildung, Tourismus und Gesundheitswesen vernetzt. Für den entsprechenden Support ist also gesorgt, das Team steht trotzdem noch vor mehreren Herausforderung: „Das Trainingsprogramm von Dr. Welsch ist durch Absolute Software und uns bereits digitalisiert worden. Wir müssen jedoch warten, bis die Hard- und Software sich für das Bewegungstracking weiter verbessert hat – das wird noch dieses Jahr passieren. Dann wird ein Tracking möglich sein, das man sich vor kurzem noch kaum vorstellen konnte", sagt Pham.

Reha an jedem Ort
Die größte zu knackende Nuss für das junge Startup wird jedoch die Medizinprodukt-Zertifizierung werden, die mit hohen Kosten und langen Wartezeiten von zwei bis drei Jahren verbunden ist. Das Zertifikat braucht Pham, um später von den Krankenkassen anerkannt zu werden. Zur Not müsse man erstmal außerhalb von Deutschland starten, um das Zertifikat zu umgehen. Noch ist der Hamburger jedoch guter Dinge und denkt bereits weiter: „Die Hardware wird sich in den nächsten sechs bis zwölf Monaten drastisch minimieren. Wir arbeiten gerade an einem kleinen VR-Computer, der mit einer Kamera vor dir steht. Und irgendwann wird man mit diesem Computer plus Headset auch alleine zu Hause und eigentlich überall trainieren können. Das ist besonders interessant, wenn man bedenkt, dass Krankenkassen lediglich fünf Wochen Reha am Stück bezahlen."

Angst vor Konkurrenz hat das Team momentan übrigens nicht. Firmen, die Rehabilitations-Software nach dem gleichen Prinzip auf den Markt bringen, gibt es zwar wie Sand am Meer, doch sie liefern keine medizinisch validierten Programme und sind meilenweit davon entfernt, eine echte Reha zu ersetzen – ganz anders als VReha Pro. Doch bis es soweit ist, dürfte noch ein bisschen Zeit ins virtuelle Land gehen. Wir sind uns jedoch sicher, dass man noch einiges von dem Hamburger Startup hören wird.
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