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Im Land meiner Kinder
22.05.2019 | Ein Gespräch mit Darío Aguirre
Mit Anfang 20 ist Darío Aguirre seiner Freundin Stephanie aus Ecuador nach Deutschland gefolgt, um sich hier als Künstler ein neues Leben aufzubauen. Dass es fast zwei Jahrzehnte dauern würde, bis er endlich eingebürgert wird, hätte er wahrscheinlich nicht gedacht. In seinem Dokumentarfilm "Im Land meiner Kinder" zeigt er, was es heißt, sich in eine neue Kultur einzuleben – und wie schwer es ist, sich im deutschen Behördendschungel zurechtzufinden.
- Warum hast du dich für den Titel "Im Land meiner Kinder" entschieden?
Der Film hieß ursprünglich mal "deutsch werden", das war mir mit der Zeit jedoch zu enggesteckt, zu sehr an der Oberfläche. Er soll nicht nur die Eigenarten zeigen, die mit dem Erlernen einer neuen Kultur einhergehen. Es geht vielmehr auch um den Wandel als Mensch und ums Erwachsenwerden über einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren. Aber auch wenn bereits so viel Zeit vergangen ist, gibt es immer noch eine Lücke zwischen mir und dem Leben hier, die ich nicht ganz schließen kann. Es ist nicht mein Land, sondern das Land meiner Kinder. Für sie wird es ganz natürlich sein, hier in Hamburg aufzuwachsen.

- Wie bist du auf die Idee mit den Zeichnungen/Animationen gekommen?
Es gab ein paar wichtige Ereignisse während der letzten Jahrzehnte, bei denen ich keine Kamera dabei hatte – so auch an dem Tag, an dem ich zum ersten Mal mit Anfang 20 in Deutschland gelandet bin. Diese Lücken wollte ich durch Animationssequenzen auffüllen, das war bereits von Anfang an so geplant. Die Zeichnungen stammen von Victor Orozco, den ich während meines Studiums an der HFBK in Hamburg kennengelernt habe. Sein Zeichenstil ähnelt meinem sehr, von daher hat das ziemlich gut gepasst. Ich habe jedoch im Laufe meiner Recherche so viel Archivmaterial von mir gefunden, dass der Anteil der Animationssequenzen immer weiter geschrumpft ist. Denn beim Archivmaterial konnte man sehr schön sehen, wie die Zeit vergeht, damals hatte ich zum Beispiel noch richtig viele Haare (lacht).
- Wie ist der Kontakt zu Helena Wittmann zustande gekommen, die bei deinem Film in vielen Szenen hinter der Kamera steht?
Helena habe ich ebenfalls an der HFBK kennengelernt. Es war unsere erste Zusammenarbeit – und es hat wirklich super geklappt. Sie fängt mit der Kamera kleinste Nuancen ein. Der gesamte Raum hat eine Bedeutung für sie, das hat mir sehr gefallen.
Trailer - Im Land meiner Kinder

- Es wird im Film über dich berichtet, dass du keine lateinamerikanische Musik mehr hörst, seitdem du in Deutschland bist. Am Ende des Films wird jedoch ein Lied des berühmten kubanischen Musikers Silvio Rodríguez gespielt. Warum?
Im Film sprechen wir über Strategien, die man entwickelt, um im neuen Land anzukommen. Salsa konnte ich mir zum Beispiel anhören. Aber es sind jetzt trotzdem Lieder im Film, die ich eigentlich vermieden habe wegen der emotionalen Bedeutung zu meiner Familie in Ecuador. Der Song von Silvio steht für Freiheit, Ausprobieren und die Welt entdecken. Werte und Vorstellungen, die mir sehr wichtig sind. Silvio war also perfekt für das Ende meines Films geeignet.
- Der Film zeigt an vielen Stellen sehr schön, wie bürokratisch es in Deutschland zugeht. Wie schwer war es, deinen Film zu finanzieren?
Das ging zum Glück um einiges schneller als meine Einbürgerung. Nach rund einem Jahr stand die Finanzierung, an der unter anderem die Behörde für Kultur und Medien, NDR-ARTE und die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein beteiligt waren.

- Was gefällt dir an Hamburg besonders? Und was vermisst du vielleicht gegenüber deiner alten Heimat in Ecuador?
Ich finde, Hamburg ist eine sehr liberale Stadt, die offen für kritische Gedanken ist – eine entsprechende Erziehung wird oft schon im Kindergarten gefördert. Das gefällt mir. Ob du es glaubst oder nicht: In Ecuador gibt es mehr Rassismus als hier an der Elbe. Viele Leute in Deutschland sind durch ihre Historie sensibilisiert für das Thema. An Ecuador gefällt mir jedoch, dass alles etwas chaotisch ist, aber am Ende trotzdem funktioniert. Kinder sollten das Beste aus beiden Welten mitnehmen.
- Deine Filme beschäftigen sich mit deiner Historie (Cesars Grill, Five Ways to Dario). Jetzt bist du eingebürgert und ein Stück weit angekommen. Was kommt also als nächstes?
Der persönliche Bezug wird in meinen Filmen immer da sein. Mein nächstes Projekt beschäftigt sich mit der deutschen und ecuadorianischen Geschichte.
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