Kurz mal reinluschern
12.06.2019 | Kurzfilm Festival Hamburg 2019
Ein Fest für Kurzfilmfans und solche, die es werden wollen: Vom 4. bis 10. Juni zeigt das Kurzfilm Festival Hamburg rund 300 Produktionen aus mehr als 40 Ländern. Außerdem wieder mit dabei: Das Mo&Friese KinderKurzFilmFestival sowie ein spannendes Rahmenprogramm samt Industry Day.
Nach vielen Monaten der Planung ist es am 4. Juni endlich soweit – das Kurzfilm Festival Hamburg geht in die mittlerweile 35. Auflage. Ein Festival, das 1984 ganz klein anfing und heute mit rund 15.000 Besuchern das zweitgrößte Kurzfilmfestival Deutschlands ist. Mittlerweile arbeiten mehr als 130 Teammitglieder an der Durchführung des Events. 4500 Filme mit einer Maximallänge von 3o Minuten müssen jedes Jahr gesichtet werden – davon allein 4000 Filme im internationalen Wettbewerb. Jede Menge Holz, doch das Ergebnis spricht für sich, ein wahres Mekka für Kurzfilmfans: „Wir richten uns mit unserem Programm an ein filmaffines Publikum, möchten jedoch auch filminteressierten Menschen und Kindern die Möglichkeit geben, sich dem Thema Kurzfilm langsam anzunähern", verrät Sven Schwarz, der organisatorische Leiter des Festivals. Deshalb ist das Festival in seinem Programm sehr breit aufgestellt und präsentiert seine Filme in verschiedenen Kategorien und Spielstätten.

Als Kinos sind in diesem Jahr das Zeise, 3001, Abaton, Lichtmeß, Metropolis, Filmraum, B-Movie und natürlich das Festivalzentrum Post am Kaltenkircher Platz dabei. In letzterem werden neben Filmvorführungen auch zahlreiche Filmpanels sowie ein Branchentreff, feste Kunstinstallationen und eine Minigolfbahn für kurzweilige Stunden sorgen. Doch was macht eigentlich den Reiz eines Kurzfilms aus? „Die Filmemacher können innerhalb dieses Formats etwas wagen, bekannte Erzählstrukturen aufbrechen, mit der Bildsprache experimentieren – und das Publikum damit herausfordern", so Schwarz. Klingt spannend, werfen wir also mal einen Blick ins Programm:
Der Wettbewerb beim KFF
Auf rund 100 Filme können sich die Besucher in drei Wettbewerben freuen, insgesamt 15.000 Euro werden an Preisgeldern vergeben. Im internationalen Wettbewerb zeigt das Festival Filme aus der ganzen Welt. 37 Werke konkurrieren in acht Programmen um fünf Preise. In diesem Jahr dabei sind unter anderem das Erstlingswerk A Million Years (05.06, 19 Uhr zeise / 07.06 19:45 Uhr, B-Movie) von Danech San aus Kambodscha, der Film Rise (06.06, 21:45 Uhr, B-Movie / 08.06, 22:15 Uhr Zeise) von Barbara Wagner und Benjamin de Burca sowie Past Perfect (07.06., 22 Uhr, Zeise / 08.06., 20 Uhr, Zeise) von Jorge Jácome aus Portugal.

Im Deutschen Wettbewerb, bei dem 22 Filme auf den Jurypreis hoffen können, sind in diesem Jahr gleich mehrere Projekte aus Hamburg und Schleswig-Holstein vertreten: Der Kurzfilm Ada Kaleh (06.06, 21.30 Uhr, Zeise/07.06, 20.15 Uhr, Filmraum / 08.06, 15.30 Uhr, Zeise) von Filmemacherin und HFBK-Dozentin Helena Wittmann spielt in einer Wohngemeinschaft, die sich in fremde Länder träumt. Der Kurzfilm Souvenir (07.06, 19:45 Uhr. Zeise / 08.06. 16:30 Uhr 3001 + 21.15 Uhr Filmraum) von Miriam Gossing und Lina Sieckmann feierte Anfang des Jahres bereits beim International Film Festival in Rotteram seine Premiere und entstand auf Fährfahrten zwischen Rotterdam und Hull sowie Kiel und Oslo. Den Preis für den spektakulärsten Titel hat der Hamburger Paul Spengemann bereits jetzt inne: Sein Film Whoa, Hoo-ah, Huh! (07.06, 17:30 Uhr, Zeise / 08.06. 19 Uhr Filmraum + 21:30 Uhr im 3001) handelt von einem Drachen, der ein Schattendasein in seiner Höhle fristet.


Der gebürtige Schleswig-Holsteiner Friedrich Tiedtke häftet sich in Mann auf Blau (06.06, 19 Uhr zeise + 20.15 Uhr Filmraum / 07.06, 22 Uhr, 3001) an die Versen des Künstlers Henri Haake, dessen blaues Gemälde seine Beziehung zu seiner Umwelt widerspiegelt. In Land der Gegenden (06.06, 21:30 Uhr, zeise / 07.06, 20.15 Uhr, Filmraum / 08.06, 15:30 Uhr, zeise) beschert uns Andreas Grützner eine experimentelle Montage aus altem Super-8-Material, das 1973 in den Alsterdorfer Anstalten in Hamburg gedreht wurde. Nicolaas Schmidt studierte an der HFBK und liefert mit Believe (07.06, 19:45 Uhr, zeise / 08.06, 16.30 Uhr im 3001 + 21:15 Uhr im Filmraum) laut eigener Aussage ein „Romantic Conceptualism Horizon Tilt". Ebenfalls an der HFBK studiert hat Marko Mijatovic, der 2016 bereits den „Hamburg Award" beim Kurzfilm Festival gewinnen konnte und in diesem Jahr mit dem Film Datscha Turbaza antritt, der in der Hafenstadt Murmansk nördlich des Polarkreises spielt (07.06, 19:45 Uhr, zeise / 08.06, 16:30 Uhr im 3001 und 21:15 Uhr im Filmraum). "Der Internationale und der Deutsche Wettbewerb sind ein Destillat des zeitgenössischen weltweiten Kurzfilmschaffens. Die Spannbreite der Auswahl umfasst alle Möglichkeiten der filmischen Sprache: hybride Dokumentarfilme neben essayistischen Experimentalfilmen – Animationen wechseln mit Fiktionen", verrät Sven Schwarz. Von "ziemlich abgefahren" bis "gut verdaulich" ist also alles dabei.
Ein sehr kurzes Vergnügen bietet der „Flotter-Dreier-Wettbewerb, in dem kein Beitrag länger als drei Minuten sein darf – und dessen Produktionen in diesem Jahr alle unter dem Motto „Lost in Translation" stehen. 26 Filme können sich Hoffnung auf den hier verliehenen Publikumspreis machen. Darunter unter anderem Die Navigatour von den beiden Hamburgern Carsten Knoop und Dorit Kiesewetter, in dem sich beide mit dem Mathematiker und Physiker Carl Friedrich Gauß beschäftigen (05.06., 19:30 Uhr, Lichtmeß / 07.06, 22:15 Uhr, Festivalzentrum / 08.06, 17:45 Uhr, Zeise).

Ein heimlicher Star innerhalb des Festivals ist schon seit 21 Jahren das Mo&Friese KinderKurzFilmFestival. Über 80 Kurzfilme aus 33 Ländern haben es dieses Jahr ins Programm geschafft. Der perfekte Weg, um bereits die kleinen Zuschauer ab vier Jahren an die Form des Kurzfilms heranzuführen. Vier Kinderjurys unterschiedlichen Alters vergeben die Preise in vier unterschiedlichen Kategorien. Neben dem normalen Programm werden auch zahlreiche moderierte Schulvorstellungen samt Begleitmaterial angeboten. Ein absolutes Highlight in diesem Jahr ist das Stummfilmprogramm toons´n´tunes (Mi 5.6. 10 Uhr und 19 Uhr, Festivalzentrum) mit Live-Vertonung. So können die Kinder ganz genau sehen, wo die Töne herkommen.
Besondere Filme abseits der Wettbewerbe – Labor der Gegenwart
Aus dem "Sonderprogramm" ist in diesem Jahr unter der künstlerischen Leitung von Maike Mia Höhne das "Labor der Gegenwart" geworden – ein Reflektionsort für gesellschaftliche Fragen. So gibt es unter dem Titel " Pleasure Rebels: Feminism, Sex & Anarchy" einen Ausflug in das Pornogerne mit all seinen Facetten abseits der Stereotypen einschlägiger Internetplattformen. Gezeigt werden unter anderem Filme der Independent-Pornofilmerin Erika Lust. Das Thema "Zensur in Russland" greift der Programmpunkt "There is no movement – Now!" auf und betrachtet die Bedingungen von Filmemachern in einer gelenkten Demokratie. An Hamburger und Hamburg-Interessierte richtet sich der Programmpunkt "Hamburger Positionen", dessen aktuelle und historische Filme sich mit Themen beschäftigten, die die Stadt bewegen. Einen Blick auf das portugiesische und deutsche Erzählkino zwischen 1996 und 2006 wirft die Sektion "Flamingos fliegen immer Richtung Osten". Und last but not least dreht sich in „Thinking Particles, Noise, Rauschen" alles um Klangmodulationen im experimentellen Film.

Ein Tag für die Filmbranche
Rund 200 Filmemacher werden beim Kurzfilm Festival vor Ort sein – da liegt es natürlich nahe, einen Tag für die Branche zu machen. Aus diesem Grund gibt es am Freitag, 07.06, von 10 bis 18 Uhr im Festivalzentrum einen Industry Day. Speziell an junge Produzenten und Filmemacher bis 27 richtet sich das Angebot der Filmwerkstatt Aarhus, in Zusammenarbeit mit der Filmwerkstatt Kiel grenzüberschreitend zu produzieren (11 Uhr). Unter dem Motto „less is more: use limitations" verrät der Filmemacher Miguel López Beraza, wie ein begrenztes Budget nicht nur Herausforderung, sondern auch Chance sein kann, um noch kreativer zu arbeiten (13 Uhr). Um künstliche Intelligenz und die Kontrolle bei der Filmproduktion geht es in dem Panel „My New Colleagues: The Audience and Artificial Intelligence Panel" (15 Uhr). Ebenfalls um 15 Uhr fragen sich David Kleingers (Deutsches Filminstitut), Anke Leweke (Journalistin), RP Kahl (Filmemacher) und Helge Albers (FFHSH) in einem Panel: „Vergesst die Manifeste, schaut auf die Geschichte! Oder: Bekommen wir am Ende nur die deutschen Filme, die wir verdienen?
Alle anderen Programmpunkte des Industry Days findet ihr hier