MOIN Filmförderung Hamburg Schlwesig-Holstein

Aus dem Studium in die Krise?

05.02.2021 | Der Arbeitsmarkt in Corona-Zeiten

Auch der HMS-Abschlussfilm "I AM" von Regisseur Jerry Hoffmann wurde im vergangenen Jahr unter Corona-Auflagen gedreht

Es sind aktuell keine einfachen Zeiten für die Film- und Kinobranche. Noch schwieriger wird es, wenn man frisch von der Uni kommt und noch kein funktionierendes Netzwerk aufgebaut hat. Wie geht es Student*innen, die gerade ihren Abschluss in der Tasche haben und jetzt im Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen? Wir haben uns mit acht Absolvent*innen der Hamburg Media School unterhalten.

Mitte Januar fand in einer Online-Ausgabe das 42. Filmfestival Max Ophüls Preis statt, eines der wichtigsten deutschen Festivals für den Filmnachwuchs. Die Hamburgerin Stella Flicker war ebenfalls mit dem Film „I AM" im Kurzfilmwettbewerb des Festivals vertreten. Die 26-Jährige hat das Projekt als Creative Producerin begleitet. „I AM ist mein Abschlussfilm an der Hamburg Media School. Und es ist natürlich toll, wenn man direkt im Wettbewerb beim Max Ophüls landet", freut sich die Absolventin. Ein Lichtblick in Zeiten von Corona. Dreharbeiten dürfen zwar schon seit längerem wieder unter strengen Auflagen stattfinden, doch gerade der erste Lockdown im Jahr 2020 hat viele freie Filmschaffende, Produktionsfirmen und Dienstleister hart getroffen. Die Zahl der im Norden gedrehten Kinofilme hat sich im Jahr 2020 von 22 auf 9 mehr als halbiert. Und diesen Rückgang merken auch die Absolventen. „Mein eigentlicher Plan war es, nach meinem Studium bei einer meiner Dozentinnen in der Produktionsfirma anzufangen. Das Angebot wurde dann aufgrund der aktuellen Lage aber leider erstmal auf Eis gelegt. Ich hab mich auch bei einigen Firmen initiativ beworben, da kam aber sehr wenig zurück. Und auf den einschlägigen Portalen wie dwdl.de, Crew United oder Blickpunkt Film ist und war nicht viel ausgeschrieben", sagt Flicker. Mittlerweile habe sie für März einen Job bei einer großen Hamburger Produktionsfirma in Aussicht. Doch bis hierhin war es ein langer Weg.

Mehr Glück hatte ihr Kommilitone Benedikt Maurer. Der Hamburger ist nach seinem Abschlussfilm direkt bei dem Filmprojekt „Am Ende der Worte" als Produktionsleiter untergekommen: „Das war wirklich ein glücklicher Zufall, da die Produktionsleiterin meines HMS-Abschlussfilms bei Klinkerfilm gelandet ist und mich mit Geschäftsführer Linus Günther bekannt gemacht hat", sagt Maurer. Nachdem die HMS-Abschlussfilme bereits unter Corona-Auflagen gedreht wurden, konnte Maurer sein Wissen beim Dreh von "Am Ende der Worte" noch vertiefen. Seit dem Drehschluss kurz vor Weihnachten ist er jetzt auf Jobsuche. „Das Jobangebot in Hamburg ist aktuell übersichtlich, wenn man bei einer Produktionsfirma unterkommen will", so der 32-Jährige. Über einen Umzug denke er trotzdem gerade nicht nach. Mit dem Nachwuchsprogramm „Nordlichter" und den unterschiedlichen Gremien der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein sei ein Förderangebot gegeben. Als selbstständiger Produzent tätig zu werden, sei ihm als Berufseinsteiger aus finanzieller Sicht erstmal zu riskant. Die Suche nach einer Produktionsfirma geht somit weiter.

Benedikt Maurer war direkt nach dem Abschluss Produktionsleiter für "Am Ende der Worte" mit Lisa Vicari

Für viele Absolvent*innen bietet die Werbebranche ein lukratives Pflaster, wenn es im fiktionalen Bereich gerade nicht weitergeht. HMS-Absolvent und Kameramann Felix Tonnat ist schon längere Zeit als Selbstständiger im Werbesegment unterwegs: „Den finanzielle Druck, den man sonst nach dem Studium hat, habe ich somit zum Glück nicht. Ich habe durch die Werbefilme ein bisschen mehr Freiheit und kann dann im Gegenzug künstlerische Projekte besser unterstützen, die mir am Herzen liegen", so der 31-Jährige. Parallel zu seinen Werbedrehs arbeitet er an der Entwicklung verschiedener Film- und Serienformate. „Zusammen mit der Regie gehe ich gern so früh wie möglich in einen dramaturgischen Austausch", so Tonnat.

Sowohl in der Werbung als auch bei Film- und Serienformaten aktiv: Kameramann Felix Tonnat

Kamera-Kollege und HMS-Absolvent Akim Trueller arbeitet aktuell auch in der Werbung und ist parallel als Colorist tätig. Im Januar hat er hierfür in Hamburg ein Büro angemietet und zur Grading Suite umfunktioniert. "Der Lockdown hat vieles entschleunigt. Mir persönlich hat es aber gut getan. Sich selber zu sortieren, zu überlegen in welches Richtung man möchte und welche die notwendigen Schritte sind um ans Ziel zu gelangen", so Trueller.

HMS-Absolvent Steffen Gerdes ist ebenfalls im Werbebereich aktiv und arbeitet hier seit seinem Abschluss zum Großteil als Creative Producer und Post Producer. Wenn seine Aufträge Mitte Februar auslaufen, möchte er allerdings am liebsten bei einer Hamburger Produktionsfirma in eine Festanstellung und sieht seine Chancen hierfür aktuell sehr gut.

Steffen Gerdes am Set des Films "Unter Menschen"

Während des Lockdowns hatte eine Berufsgruppe Hochkonjunktur: Die der Drehbuchautor*innen. Denn konzentriert an Stoffen arbeiten geht in der Regel perfekt von zu Hause aus. Wie sieht es als Berufsanfänger*in aus? „Ich konnte direkt nach meinem Abschluss als Producer Assistentin an einem Filmprojekt mitwirken, an das ich über den HMS-Verteiler geraten bin. Richtige "Schreib-Jobs" haben dann aber auch nicht lange auf sich warten lassen. Im Moment sind meine Aussichten relativ gut. Ich arbeite als dramaturgische Beraterin, sowie als Co-Autorin bei einem Langspielfilm. Im Winter habe ich als Comedy-Autorin Kurzformate für TikTok geschrieben, was auch sehr viel Spaß gemacht hat", verrät Miriam Suad Bühler, die an der HMS Drehbuch studiert hat. Was der 23-Jährigen aktuell fehlt, ist die Möglichkeit, sich mit der Branche weiter zu verknüpfen, da Festivals als Begegnungsstätte ausschließlich online stattfinden.

Caren Wuhrer, die ihr Studium im Bereich Regie abgeschlossen hat, geht es ähnlich: „Aktuell gibt es keine Festivals und allgemeinen Veranstaltungen, auf denen man mit Leuten ins Gespräch kommen kann. Deshalb wäre es toll, wenn es eine brancheninterne Plattform oder Online-Events für den Austausch zwischen uns Absolvent*innen und der Branche geben würde, um unsere Filme und uns vorstellen zu können. Ich denke, der Berufseinstieg ist für Regisseur*innen immer schwierig, aber während Corona eine noch größere Herausforderung", sagt Wuhrer. Deshalb nutzt sie aktuell die Zeit, um an verschiedenen Drehbuchideen für Langfilme und Serien zu arbeiten. Im Dezember drehte die 31-Jährige zudem ein Musikvideo für die Hamburger Band Junokill.

Vor Corona: Regisseurin Caren Wuhrer (Mitte) am Set des HMS-Films "On Demand"

Den Produzenten Giacomo Vernetti, mit dem Wuhrer gemeinsam ihren Abschlussfilm „Funkschatten" gedreht hat, hat es gleich in ein anderes Land gezogen. Im Juni 2020 hatte Vernetti sich für das Postgraduiert*innenprogramm „Atelier Ludwigsburg-Paris" beworben – und kurz nach dem Abschluss kam dann nach einem Zwischenstopp in Ludwigsburg Anfang 2021 der Umzug nach Paris. „Das war ein nahtloser Übergang. Ich hoffe, dass sich die Lage wieder etwas gebessert hat, wenn ich mit dem Atelier durch bin", sagt Vernetti.

Der angehende Produzent Giacomo Vernetti lebt aktuell in Paris

Und wie sieht die Hamburg Media School die Corona-Lage für ihre Studierenden? „Für uns war 2020 auch ein ziemlich verrücktes Jahr. Alle Drehbücher für unsere Abschlussfilme mussten um- oder in den meisten Fällen neu geschrieben werden, um Corona-konform drehen zu können", sagt Richard Reitinger, Künstlerischer Leiter des Filmstudiengangs an der HMS. Ein großer Mehraufwand, der nicht selten zur Folge hatte, dass die Student*innen bis Dezember 2020 mit der Fertigstellung ihres Films beschäftigt waren – obwohl das Studium bereits im Oktober offiziell zu Ende war. Abzuschrecken scheint die aktuelle Situation nicht: Laut Studiengangskoordinatorin Patricia Steber haben sich die Bewerberzahlen im Vergleich zum Vorjahr nicht geändert und die Student*innen hätten sich gut an die neue Form des Unterrichts gewöhnt. Auch die Vernetzung mit der Branche finde durch die wechselnden Dozent*innen nach wie vor statt.

„Optimismus ist aktuell Pflicht, Realismus allerdings auch. Gerade für Freelancer*innen oder kleine Produktionsfirmen sind die Zeiten nicht gerade einfach. Wir hoffen, dass es bald wieder bergauf geht", so Reitinger.

Credits: Titelbild + Stella Flicker: Clemens Porikys AM Ende der Worte: Alena Sternberg/Klinkerfilm Felix Tonnat: Malte Higgen Akim Trueller: Relayo Steffen Gerdes: Drop Images Miriam Suad Bühler: HMS Caren Wuhrer: Daniela Meise Giacomo Vernetti: Angelina Vernetti Patricia Steber/Richard Reitinger: HMS
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