Abschlussfilm "ISTINA" gewinnt Student Academy Award
11.09.2023 | Hamburg Media School
Mit "ISTINA (Wahrheit)" und "Mitläufer" haben es dieses Jahr gleich zwei Abschlussfilme der Hamburg Media School (HMS) ins Finale der Student Academy Awards geschafft – und für das Team von "ISTINA (Wahrheit)" gab es jetzt den Student Academy Award in Bronze. Wir haben hinter die Kulissen geschaut und verraten euch, wie die aufwändigen Produktionen entstanden sind.
ISTINA (Wahrheit)
Wenn rund 200 Leute an einer Filmproduktion beteiligt sind, dann klingt das erstmal nicht unbedingt nach einem Studenten-Abschlussfilm. Doch wer „ISTINA (Wahrheit)" gesehen hat, kann den Aufwand erahnen, der in jeder einzelnen Filmminute steckt. Im Januar 2022 fanden sich an der Hamburg Media School die vier Student*innen David Marius Lorenz (Drehbuch), Christian Siée (Produktion), Tamara Denić (Regie) und André Stahlmann (Bildgestaltung) zusammen, um an ihrem Abschlussprojekt zu arbeiten: In „ISTINA (Wahrheit)" wird eine Fotojournalistin in ihrer serbischen Heimat von rechtsextremen Gruppierungen bedroht und flieht mit ihrer Tochter nach Deutschland. Doch nach kurzer Zeit sieht sie sich auch hier starken Anfeindungen ausgesetzt. „Als wir Anfang 2022 angefangen hatten, an dem Projekt zu arbeiten, ging es erstmal nur um eine deutsche Journalistin. Wir entschieden uns dann jedoch aus geopolitischen Gründen dafür, die Geschichte in Serbien anzusiedeln. Denn Serbien ist als EU-Beitrittskandidat seit langer Zeit ein politischer Brennpunkt, in dem etwa 95 Prozent der Medien staatlich kontrolliert werden. Im Kern geht es in unserer Geschichte um Themen wie ‚Pressefreiheit', ‚Pressefeindlichkeit' und ‚Fake News", sagt Tamara Denić, die selbst Familie in Belgrad hat.
Für das Skript widmete sich das Filmteam einer umfangreichen Recherche, war auf Demos unterwegs und drehte eine erste Doku, die an der HMS vor Fertigstellung des eigentlichen Films Pflicht ist – und später sogar auf dem Sender Phoenix ausgestrahlt wurde. Fast alle Ereignisse des Films sind so oder so ähnlich auch in Wirklichkeit passiert. Das finale Buch wurde dann von mehreren Journalist*innen und anderen Expert*innen gegengelesen, um die Geschichte so authentisch wie möglich erzählen zu können.
Gedreht hat das HMS-Team schließlich im August und September 2022 an drei Tagen in Belgrad und zehn Tagen in Deutschland. Vor den Toren Hamburgs im Alten Land drehte man eine große Demonstrations-Szene auf einer Werft, die Wohnung der Hauptprotagonistin und ihrer Tochter liegt hingegen in Hamburg Wandsbek. Weitere Szenen sind auf der Fähre 62, dem Löschplatz in Hamm, in Altona, Bergedorf sowie der Pony Bar entstanden.
Und auch wenn man es „ISTINA (Wahrheit)" vielleicht nicht ansieht: Aber es kamen in der Postproduktion auch VFX-Effekte zum Einsatz. So wurde zum Beispiel die Zeitungsredaktion in Belgrad, in der die Fotojournalistin arbeitet, eigentlich in Bergedorf gedreht. Im Nachgang mussten also nochmal alle Fenster bzw. der Ausblick digital ausgetauscht werden. „Die Postproduktion war extrem aufwendig und wäre – wie der ganze Film – ohne die tolle ehrenamtliche Arbeit der Crew sowie großzügige Sponsoren nicht möglich gewesen. Denn ein großer Teil unseres Budgets ging vor allem für den Auslandsdreh drauf. Reisen, Unterkünfte, Technik - all das kostet. Auch die Demo-Szenen inklusive Bengalos, die wir auf einer Werft im Alten Land gedreht haben, waren sehr kostenintensiv", verrät Produzent Christian Siée. Doch am Ende hat sich die viele Arbeit ausgezahlt: Der Abschlussfilm wurde beim Max Ophüls Preis mit dem Publikumspreis ausgezeichnet, außerdem schaffte er es unter die finalen drei Filme bei den BAFTA Awards in Los Angeles. Und jetzt gab es den Student Academy Award in Bronze.
HMS-Absolvent Ilker Catak konnte den Preis in Gold für seinen Abschlussfilm „Sadakat" im Jahr 2015 bereits mit nach Hause nehmen und ist jetzt mit „Das Lehrerzimmer" deutscher Oscar-Kandidat. Ein gutes Zeichen, wie wir finden. Alles ist möglich.
Mitläufer
Ausgangspunkt für die Story von „Mitläufer" war ein Zeitungsartikel über das Frankfurter SEK aus dem Jahr 2019: „Die Spezialeinheit dort wurde aufgelöst, nachdem die Polizisten in einem internen Chat über längere Zeit rechtsextreme Beiträge geteilt hatten. Das fanden wir als Grundidee sehr spannend und überlegten, wie wir eine Story drum herum spinnen können", sagt Drehbuchautor Nick Buckenauer. Gemeinsam mit den HMS-Absolventen Frederic Kau (Regie), Laurian-Luis Schymura (Produktion) und Alexander Gruber (Bildgestaltung) machte er sich im Frühjahr 2022 an die Ausarbeitung des Skripts, die von einer umfangreichen und schwierigen Recherche begleitet wurde.
„Es war nicht einfach, in die Polizistenkreise reinzukommen, da natürlich kaum jemand über solche Vorkommnisse reden möchte", sagt Regisseur Frederic Kau. Doch nach mehreren Wochen gelang es dem Filmteam tatsächlich, mit ehemaligen Polizisten zu sprechen, die in den Frankfurter Fall verwickelt waren und deswegen ihre Jobs verloren: „Wir bekamen den Kontakt über eine Journalistin aus Frankfurt, die damals über den Fall berichtet hatte. Nachdem wir ein paar Mal hin und her geschrieben hatten, habe ich mich dann mit einem der Polizisten in einem Café getroffen und rund drei Stunden mit ihm gesprochen. Er hatte mir seinen Namen nicht genannt – ich wusste nur, dass er ein kariertes Hemd tragen würde. Das Treffen war für uns extrem wichtig, um ein Gefühl für diese verschlossenen Leute zu bekommen", sagt Regisseur Frederic Kau.
Nach zweimonatiger Recherche fing das Team im August 2022 mit den rund zweiwöchigen Dreharbeiten in Hamburg an. „Wir suchten uns für die Dreharbeiten möglichst authentische Motive aus. So haben wir unter anderem auf dem für seine hohe Kriminalität bekannten Hansaplatz und auch auf dem Steindamm gedreht. Das war nicht ganz einfach, da es vielen Leuten vor Ort natürlich nicht gefiel, dass wir dort mit unseren Kameras herumliefen", sagt DoP Alexander Gruber.
Eine der aufwändigsten Szenen des Films sollte jedoch eine Zugriffszene der SEK-Einheit werden, bei der mehrere Spezialkräfte perfekt orchestriert eine Wohnung stürmen. Hierfür holte sich das HMS-Team externen Rat bei Teamwork Filmservice-Chef Jörg Gennun, der nicht nur Verleiher für Polizeirequisiten ist, sondern früher selbst mal bei der GSG9 war. „Wir hatten großes Glück, dass wir Jörg für unser Projekt gewinnen konnten. Er spielt in der Szene den Gruppenführer und hat einen kompletten Tag mit uns die Szene geprobt. Wir wollten den Zugriff als Plansequenz ohne Schnitt filmen und die ganze Zeit nah an unserer Figur bleiben", sagt Regisseur Frederic Kau. Und wer „Mitläufer" sieht, wird schnell feststellen, dass das ziemlich gut geklappt hat. Gedreht wurde die Szene übrigens in einer leerstehenden Wohnung im Kraftwerk Bille, die für den Dreh komplett neu ausgestattet und in einen Drogenumschlagplatz verwandelt werden musste.
Wie kommt es eigentlich, dass die HMS-Abschlussfilme immer extrem professionell und so gar nicht nach Abschlussfilm aussehen? „Die HMS ist eine Marke und dadurch ist es leichter, sein Team für den Dreh zusammenzubekommen. Außerdem ist es ein Master-Studiengang und wir haben zuvor im Bachelor und bei den ersten beiden Filmen, die man an der HMS umsetzt, aus Fehlern gelernt", sagt Produzent Laurian-Luis Schymura und lacht. Zudem stecke viel Herzblut in der Produktion – bereits acht Monate vor Drehbeginn habe man diverse Wochenenden für die Vorbereitung geopfert. Mit der Nominierung für die Student Academy Awards hat sich der Aufwand jedoch mehr als gelohnt, auch wenn es am Ende nicht ganz für einen der ersten drei Plätze gereicht hat.