MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

„Meine Figuren sind Loriot-Typen, aber in prollig.“

27.09.2023 | Heinz Strunks „Last Exit Schinkenstraße“

Von ihrer Band vor die Tür gesetzt: Trompeter Torben (Marc Hosemann) und Saxophonist Peter (Heinz Strunk)

Heinz Strunk ist in den vergangenen Jahren vor allem als Bestseller-Autor hervorgetreten. Nun hat er ein Drehbuch für eine Amazon-Prime-Serie geschrieben, in der er neben Marc Hosemann auch die Hauptrolle spielt. Beim Filmfest Hamburg feiert die von MOIN-geförderte Serie Premiere. Wir haben mit Strunk über seine humoristischen Vorbilder, Looser-Typen und seine Bequemlichkeit gesprochen.

In „Last Exit Schinkenstraße" suchen zwei erfolglose, mehr als mittelmäßige Musiker ihr Glück auf Mallorca, am Ballermann. Was fasziniert dich an den Verlierertypen?

Heinz Strunk: Mich fasziniert da überhaupt nichts dran. Ich habe mich immer für die Abgehängten, für die Leute, die es schwer im Leben haben, interessiert. Die Welt der Reichen und Schönen überlasse ich Instagram oder Rosamunde Pilcher. Ich empfinde mich tatsächlich als literarische Stimme dieser Leute. Außerdem: Das Drama ist interessant, nicht das, was funktioniert.

Torben (Marc Hosemann) mit seiner Familie. Die Wohnung wurde in der Nähe des Volksdorfer Waldes gedreht.

Du verpackst das Drama in Humor, manchmal Satire. Warum?

Heinz Strunk: Tragödie ist im Unterschied zur Komödie leicht. Eine gute Komödie ist viel schwieriger als eine gute Tragödie und ich würde sagen, dass es keiner in Deutschland so gut hinbekommt, wie ich. Gibt's einfach nicht. Es gibt entweder so Comedyautoren wie Tommy Jaud, das ist dann literarisch völlig irrelevant, und die Literatur-Literatur ist nullkommanull witzig. Schirach, Zeh und Fitzek, das sind ja die drei Großen in Deutschland. Die sind auch nicht witzig. Ich bemühe immer, in dem was ich mache, um das Höchstmaß an Unterhaltung.

Auch Hamburger Schauspieler Charly Hübner hat einen Gastauftritt

Abgehalfterte Unterhaltungsmusiker an deprimierenden Urlaubsorten. Das erinnert ein wenig an Ulrich Seidls „Rimini". Wie bist du auf deine Geschichte gekommen?

Heinz Strunk: Das ist doch etwas ganz anderes. Ich schätze Ulrich Seidl sehr, aber sein Film ist ein Sozialdrama, traurig, deprimierend. „Last Exit Schinkenstraße" ist eine Komödie, lustig. Aber wie ich darauf gekommen bin, weiß ich gar nicht mehr. So geht es mir bei den meisten meiner Geschichten.

 

Der von Marc Hosemann gespielte Torben und vor allem deine Figur Peter sind große Phrasendrescher, Sprücheklopfer. Das fällt auch in deinen Romanen auf. Woher nimmst Du die?

Heinz Strunk: Die sind die Essenz meiner jahrzehntelangen Sammelei. Immer wenn ich etwas aufschnappe, sammel ich das, auch im Fernsehen. Speziell Ilona, die Frau von Torben, von der stammen fast alle Sprüche von Silvia Wollny. Ich habe alle Staffeln der Serie „Die Wollnys" geguckt. Die hat's ja nicht so mit der deutschen Sprache. Da kommen unfreiwillig komische Sachen raus. Die habe ich alle mitgeschrieben. Ich bin wahrscheinlich der einzige Mensch in ganz Deutschland, der das getan hat. Die Sätze habe ich jetzt in der „Schinkenstraße" verbraten.

Setvisit der MOIN Filmförderung in Hamburg

Welche Funktion haben sie? Die sind ja oft extrem dümmlich.

Heinz Strunk: Das haben Sprüche ja so an sich. Das sind keine Bonmots aus der FAZ, sondern das ist das, was die Leute so sagen. Und ich habe natürlich solche genommen, die man noch nicht kennt. Sonst wäre das ja witzlos. Meine sind das Ergebnis von sehr genauem Hingucken.

 

Wen, glaubst du, sprichst du mit der Serie an?

Heinz Strunk: Amazon ist ja mainstream, da muss und will man ein Millionenpublikum erreichen. Meine Fanbase würde ich als extrem exklusiv und fast elitär bezeichnen. Aber nicht groß. Es geht jetzt darum, Leute zu erreichen, die ich sonst nicht erreiche. Im Idealfall schaffe ich das, was Loriot geschafft hat, nämlich alle Menschen anzusprechen vom Arbeiter bis zum Professor. Das Loriot-Prinzip konnte von ganz unterschiedlich intellektuell ausgestatteten Menschen verstanden werden.

Für die abgehalfterten Musiker läuft es oft nicht nach Plan

Was ist denn das Loriot-Prinzip?

Heinz Strunk: Es ist eine einzige Mechanik: Ein Mann, der schüchtern ist, Frauen gegenüber gehemmt, der einigermaßen unbemerkt durchs Leben gehen will, gerät in Situationen, in denen er auffällt und die ihn total überfordern. Und meine Figuren, Torben und Peter, sind Loriot-Typen, aber in prollig. Das sind ja so Looser-Typen, die es nicht weit gebracht haben, immer noch in so einer Schrottkapelle spielen. Da hoffe ich, dass es für das Publikum Momente gibt, jenseits von den ganzen Gags, in denen es auch ein bisschen Mitgefühl mit denen hat.

Heißt das, Loriot ist dein Vorbild?

Heinz Strunk: Loriot ist die deutsche Gallionsfigur für Humor. Vergleicht man sich mit dem, wird einem ja immer Vermessenheit unterstellt. Aber warum sollte ich mich nicht an ihm messen? Wie auch an Dick und Doof, Louis de Funès. „Schinkenstraße" hat ja auch viel klamaukige Momente.

Zwei von zahlreichen Gastauftritten: H.P. Baxxter und Micki Krause

Du gilst inzwischen als festes Inventar der Hamburger Kulturszene. Hast du dir nie überlegt, mal woanders zu leben?

Heinz Strunk: Ach um Gotteswillen, ich versteh nicht den Impuls, weg zu gehen von Hamburg. Hamburg ist eine sehr lebenswerte Stadt. Und allein aus beruflichen Gründen gibt es für mich keinen Grund hier wegzugehen. Ich bin hier am Schauspielhaus, da machen wir ständig Inszenierungen. Und natürlich habe ich hier das größte Publikum. Außerdem bin ich viel zu bequem. Ich befürchte sogar, wenn ich in Bevensen, wo ich zur Welt gekommen bin, auch aufgewachsen wäre, wäre ich vielleicht auch da geblieben, weil ich so bequem bin.

Jetzt also erstmal die Premiere von „Schinkenstraße" als Drehbuchautor und Hauptdarsteller. Was kommt als nächstes? Noch etwas ganz anderes?

Heinz Strunk: Was sollte das noch sein? Bildhauerei? Das müsste ich ja richtig lernen. Ich bin jetzt 61 Jahre alt. Nein, ich arbeite gerade an meinem neuen Roman, und der wird ganz anders.

 

"Last Exit Schinkenstraße" startet am 6. Oktober auf Amazon Prime

Credits: Thomas Leidig
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