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Carla Simón im Cannes-Wettbewerb

19.05.2025 | Romería

Ein Mädchen steht am Wasser - vor ihr steht ein Junge, der sich an eine Mauer lehnt.
Copyright: Ventall Cinema, Dos Soles Media

Für ihr Drama „Alcarràs“ gab es bei der Berlinale 2022 den goldenen Bären – jetzt meldet Regisseurin Carla Simón sich mit ihrem neuen Film „Romería“ im Wettbewerb von Cannes zurück. Was der Film mit ihrer eigenen Jugend und mit Hamburg zu tun hat, erfahrt ihr im folgenden Artikel.

In einem Satz: Worum geht es in Romería?

Carla Simón: ROMERÍA ist die Reise eines jungen Mädchens, das zum ersten Mal zu seiner Familie reist. Die Familie ihres leiblichen Vaters, um ihre Wurzeln und die Liebesgeschichte ihrer Eltern in Galicien zu verstehen.

Ein wichtiges Thema deines Films ist die Heroin-Krise im Spanien der 80er Jahre. Warum weiß man heutzutage so wenig darüber?

Carla Simón: Heroin und Aids sind Tabu-Themen und die Zeit war für viele Familien sehr schmerzhaft. Ich denke, dass die Geschichten der Menschen aus dieser Zeit eine Art historisches Gedächtnis sind, das wir versuchen sollten, auszusprechen. Eine sehr wichtige Generation, die uns zu dem gemacht hat, was wir heute sind. Wir kamen aus der Diktatur in Spanien, einer wirklich dunklen und konservativen Zeit. Als Franco starb, gab es plötzlich diesen Boom der Freiheit. Aber diese Generation war es, die versuchte, mit all den alten Werten zu brechen - und ich glaube, dass sie irgendwie experimentieren und andere Dinge leben mussten. Sie wussten nicht viel über Drogen. Plötzlich kam die Heroinkrise nach Spanien, mit vielen Menschen, die süchtig wurden, und Aids kam, und niemand hatte mit diesen Folgen gerechnet. Und das war verheerend. Spanien war das europäische Land mit der höchsten Zahl an Aids-Toten.

Jetzt leben wir in einer Zeit sind, in der es gut ist nochmal zu überdenken, was passiert ist – und die Menschen von damals nicht zu verurteilen. Und das Wichtigste: wir geben ihnen eine wichtige Rolle in der spanischen Geschichte, damit wir zu dem werden, was wir heute sind.

Porträtfoto von Carla Simon vor grauem Hintergrund
Carla Simón; Copyright: David Ruano
Die Story von "ROMERÍA"

Marina, 18, ist nach dem frühen Tod ihrer Eltern bei der Familie ihrer Mutter in Katalonien aufgewachsen. Weil sie Dokumente für einen Stipendienantrag benötigt, reist sie nach Vigo an die spanische Atlantikküste zur Familie ihres Vaters, die sie nie kennengelernt hat. Marina taucht ein in eine verwirrende, schwirrende Welt voller neuer Tanten, Onkeln, Cousins und Geschichten, die auf seltsame Weise von dem abweichen, was sie zu wissen glaubte. Ihre Ankunft rührt lange verschüttete Emotionen auf, verdrängte Gefühle, Scham, Schmerz und Zärtlichkeit. Für Marina beginnt, begleitet vom Tagebuch ihrer Mutter, eine aufwühlende Reise in das Leben ihrer Eltern und ihre eigenen Träume.

Der Film erzählt in Teilen deine eigene Geschichte und die deiner Eltern. Macht es deine Arbeit als Regisseurin am Set leichter oder schwerer?

Carla Simón: Das ist eine schwierige Frage. Die Tatsache, dass man mit der Geschichte auf emotionale Weise verbunden ist, verleiht dem Film eine Menge Persönlichkeit und Essenz. Eine emotionale Reise, und ich glaube, das sieht man auch auf der Leinwand. Manchmal muss man aber in der Lage sein zu verstehen, wann die Realität einem beim Erzählen der Geschichte nicht weiterhilft. ROMERÍA enthält viel Fiktion.

Meine Familie ist überhaupt nicht wie die Familie, die wir porträtieren. Vielleicht gibt es einige Inspirationen, aber nicht so sehr die Familienkonstellation. Die Dinge, die im Film erzählt werden, haben sich nicht wirklich so ereignet. Ich habe meine Familie nicht getroffen, als ich ein Teenager war. Und ich habe diese Reise nicht gemacht, als ich 18 Jahre alt war, sondern später. Mit 18 traf ich zwei meiner Onkel in Madrid, aber es war anders.

Den Kern einer Geschichte zu nehmen und sie in etwas Neues zu verwandeln, braucht Zeit. Da es bereits Vergangenheit ist, ist es für mich einfacher, eine Geschichte darüber zu erzählen. Und ich denke auch, dass man in der Drehbuchphase sehr, sehr verbunden mit dem ist, was man schreibt. Aber bei den Dreharbeiten muss man dann wirklich in der Lage sein, das Ganze als Film zu betrachten.

Welche Verbindung besteht zwischen „Romería“ und Ihren ersten beiden Spielfilmen „Alcarràs“ und „Estiu 1993“?

Carla Simón: Die Verbindung und Inspirationsquelle zwischen den drei Filmen ist im Grunde meine Familie. Ich habe eine sehr, sehr große Familie. Und jeder dieser Filme ist von einem anderen Teil meiner Familie inspiriert. ESTIU 1993 hat mehr mit der Familie meiner leiblichen Mutter zu tun und auch mit der Familie meines Adoptivvaters – da sie Geschwister waren, ist es dieselbe Geschichte. ALCARRÀS wiederum hat mit der Familie meiner Adoptivmutter zu tun. Und ROMERÍA mit der Familie meines biologischen Vaters. Das ist also die Verbindung zwischen den Filmen. Es sind sehr unterschiedliche Filme mit unterschiedlichen Charakteren. Filme, die Familien porträtieren, verschiedene Arten von Familien. Aber am Ende sind diese Arten von Beziehungen einfach da, man sucht sie sich nicht aus. Und ich beschäftige mich sehr gerne damit. Ich denke, weil ich in eine große Familie hineingeboren wurde, und ich habe mir immer ihre Geschichten angehört und auch beobachtet, wie die Beziehungen sind.

Wo habt ihr ROMERÍA gedreht?

Carla Simón: Wir haben ROMERÍA im Süden Galiciens am Meer gedreht. Für mich war es etwas ganz Besonderes, weil ich zuvor zwei Filme auf dem Land in Katalonien gedreht hatte. Diesmal waren wir also auf der anderen Seite Spaniens – eine ganz andere Landschaft! Es gab für mich sogar eine Art spirituelle Verbindung zu diesen Orten, denn hier lebten meine Eltern ihre Liebesgeschichte. Es hatte irgendwie etwas Mystisches, diese Orte zu filmen, von denen ich weiß, dass sie dort waren.

Wie war die Zusammenarbeit mit “The Post Republic" und was genau habt ihr in Hamburg gemacht?

Carla Simón: Wir haben die Postproduktion zwischen März und Mai 2025 gemacht. Ich war bereits im sechsten Monat schwanger, als wir mit der Bildbearbeitung begannen, so dass ich nur am Anfang in Hamburg dabei sein konnte, um den Look des Films beim Grading zu bestimmen. Während des ersten Grading-Termins mit den Coloristen haben wir noch in Spanien geschnitten. Für die späteren Grading-Sessions war es für mich immer schwieriger, zu reisen. Später hab ich dann per Remote an den Terminen teilgenommen.

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