MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Monster aus der Stromleitung

17.07.2017 | Neuer Film von Ziska Riemann

Superheldin Mia in Aktion

Komödie, Comic, Horror und Superhelden-Action: Genre-Grenzen scheinen für Ziska Riemann nicht zu existieren. Wir haben die Berliner Nachwuchsregisseurin bei den Dreharbeiten zu ihrem neuen Film Electric Girl in Hamburg getroffen und mit ihr über Anime-Helden, luftige Drehorte und ihren Hamburger Geschichten-Erzählstil gesprochen.

Ihr habt zwölf Tage bei uns in der Hansestadt gefilmt. Wieso hast du dir Hamburg als Drehort ausgesucht?

Die Heldin im Film glaubt, dass sie Tokyo retten müsste. Wir erzählen also quasi Tokyo in Hamburg – und das ist tatsächlich möglich. Wir haben hier das Wasser wie am Tokyo Bay und überall gibt's eine Mischung aus Industrie, Hafenanlagen und modernen Gebäuden. Ich bin visuell immer wieder beeindruckt von Hamburg und was es hier alles zu entdecken gibt. Wir hatten auch mit dem Wetter total Glück. Es gab durchaus Regentage im Drehbuch, aber die musste ich alle rausstreichen, da kein Geld für eine Regenmaschine da war.

Worum geht es in deinem neuen Film?

Es geht um eine junge Frau namens Mia, die eine Superheldin in einem Anime synchronisiert. Während der Arbeiten merkt sie, dass die Geschichte des Animes ganz viel mit ihrem eigenen Leben zu tun hat. Und je mehr sie sich mit der Geschichte des Animes beschäftigt, desto mehr hat sie das Gefühl, dass es um sie geht in dieser Rolle. Gleichzeitig merkt Mia, dass ihre Welt asynchron wird und beispielsweise Töne nicht mehr synchron auf den Lippen der anderen Menschen liegen. Sie transformiert sich im Laufe der Geschichte in die Anime-Heldin und hat von da an die gleiche Mission: Sie glaubt, sie müsse die Welt vor Monstern befreien, die in den Stromleitungen sitzen. Sie selbst steht ebenfalls total unter Strom und hat eine unglaubliche Energie. Sie schläft nächtelang nicht, entwickelt Superheldinnenkräfte und jagt immer schneller durch die Stadt. Irgendwann wird klar, dass sie sich in einem manischen Rausch befindet.

Wo genau habt ihr in Hamburg gedreht?

Wir haben einiges in St. Pauli gedreht, zum Beispiel einen wichtigen Stunt, bei dem Mia von einem Autodach auf ein Hausdach springt. Auf dem Wasser waren wir auch viel unterwegs: Die Hauptdarstellerin fährt im Film mit einem Motorboot über die Elbe, dabei sind wahnsinnig schöne Bilder entstanden.
Eines der Highlights war bisher jedoch die Szene an der Strandperle. Hier entstand das entspannteste aber auch gleichzeitig absurdeste Bild. Mia sitzt mit einem Freund dort am Strand und es entsteht zwischen all der Action eine kleine Ruhepause. Er gibt vor ihr ein bisschen an, sie wiederum kontert mit einem Gedicht. Die beiden wollen sich dort am Wasser gegenseitig imponieren. Ich hoffe, der Zuschauer denkt an dieser Stelle „Jetzt fängt eine schöne Liebesgeschichte an".

Dreharbeiten zu Electric Girl am Hamburger Hafen
Dein erster Film Lollipop Monster war ein quietschbuntes Teenage-Pop-Drama. Welche Stilelemente verwendest du in deinem neuen Film?

Ich liebe den Genre-Mix. In meiner Jugend gab es in der Popkultur viele Schubladen: Punks, Rockabillys usw. Ich glaube, das alles hat mich sehr stark beeinflusst. In Electric Girl gibt es viele witzige Elemente, es ist jedoch keine klassische Komödie. Viele Stilelemente kommen aus dem Comic-Bereich – da komme ich halt her. Die Farben sind oft poppig. Ich liebe es, wenn Bilder eine gewisse Plakativität haben. Dann gibt es natürlich Musik als Stilelement, außerdem Animation und klassische Horror-Elemente. Wir haben Musikclip-artige Phasen wie etwa eine lange Szene unter Wasser, die sehr episch ist. Und natürlich Superhelden-Elemente durch die Sprungszenen. Electric Girl ist ein bunter Film, der aber eine ganz klare Geschichte erzählt.

Stichwort Geschichten erzählen: Das hast du als Comiczeichnerin und Musikerin ja schon gemacht. War der Gang zum Film ein natürlicher Schritt?

Das Natürlichste daran war, dass ich Geld brauchte (lacht). Ne, das stimmt natürlich nicht ganz. Vor langer Zeit hat Volker Schlöndorff mal einen Comic von uns gelesen und wollte, dass wir ihm ein Drehbuch schreiben. Ich habe dann gemerkt, wieviel Spaß ich daran habe, lange Geschichten zu erzählen. Leute fragen mich oft, wo die Verbindung zwischen meinen ganzen Berufen ist. Dann sage ich immer: Geschichten erzählen – nur hat jede Geschichte eben ihr eigenes Medium.

Was ist für dich typisch Hamburg?

Ich hab immer das Gefühl, Hamburg ist viel politischer als Berlin. Als Berlin schon lange nicht mehr politisch war, war Hamburg immer noch am Diskutieren. Außerdem hat Hamburg Widersprüche und Reibungen. Jetzt, wo ich hier bin, sehe ich unvorstellbaren Reichtum. Einige Leute leben in Häusern, die es in Berlin nicht einmal gibt. Auf der anderen Seite sehe ich dann aber in St. Pauli morgens Teenagermädchen völlig abgefuckt auf irgendwelchen Treppenstufen heulen. Das ist die andere Seite von Hamburg.

Hier gibt's irgendwie alles. Für mich ist Hamburg eine Weltstadt. Ich bin ein Mauerkind und Berlin kam mir meine ganze Kindheit über vor wie eine totale Provinz. Mit 14 Jahren bin ich mit einer Freundin nach Hamburg getrampt – und damals hab ich schon gedacht, Hamburg ist ein Tor zur Welt. Hier fahren Schiffe rein, hier kommen Leute von überall her an.

Außerdem bringt die Stadt eine gewisse Leichtigkeit mit. Der Himmel hier ist so unglaublich weit – in Berlin hingegen ist alles sehr eng. In Hamburg kann man zum Beispiel an der Elbe entlang spazieren oder über die Köhlbrandbrücke fahren – das sind alles Bilder, die eine gewisse Größe und Weite haben. All die Werftkräne am Hafen, das ist für Nicht-Hamburger sehr faszinierend.

Kameramann Hannes Hubach und Ziska Riemann am Set von Electric Girl
Gibt es irgendetwas, was du dir in Zukunft von der Filmförderung wünschen würdest?

Bei der FFHSH hab ich immer das Gefühl, die verstehen meinen Humor, die wissen was ich mache und was ich kann. In Berlin werde ich nicht so als Filmemacherin wahrgenommen. Vielleicht habe ich ja eher einen Hamburger Geschichten-Erzählstil.

Was ist dein nächstes Projekt?

Als nächstes mache ich zusammen mit Anatol Nitschke eine Mischung aus Aufklärungsfilm und Komödie. Das Drehbuch wurde bereits von der FFHSH gefördert. Ein ganz anderer, leichter Film mit witzigen Momenten – gespickt mit Aufklärungsbotschaften für Jugendliche

Credits: Nicole Gerhards/NiKo Film; Hannes Hubach/NiKo Film
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