
Das Web in Serie
31.08.2017 | Chancen für Filmemacher

Als Filmneuling mit der eigenen Serie auf Netflix ausgestrahlt werden? Fast unmöglich. Doch wie kann man sich auch ohne viel Geld und große Namen als Filmemacher im Internet Gehör verschaffen? Die Antwort lautet: Webserien. Was genau sich dahinter verbirgt und was das Format so spannend macht, zeigen wir euch hier.
Webserie vs digitale Serie
Laut Wikipedia handelt es sich bei einer Webserie um eine Serie von kurzen Webvideos, welche die Interaktion mit den Protagonisten und Produzenten der Geschichte zulässt. Ist eine Folge beispielsweise bei YouTube hochgeladen, kommuniziert man direkt über die Kommentarfunktion. Viele Serien bieten zudem aktive Elemente. Der Zuschauer kann sich also an einer bestimmen Stelle der Story für einen Weg des Protagonisten entscheiden und beeinflusst somit den Ausgang der Geschichte. Lange Zeit war dieses Prinzip eher von Computerspielen bekannt.
So weit, so gut. Doch schon der Begriff „Webserie" bietet Diskussionsstoff: „Viele Leute assoziieren Webserie automatisch mit irgendeinem Trash-Format, weshalb man in der Filmbranche mittlerweile lieber von digitaler Serie spricht", verrät Nina Heinrich, Gründerin des Wendie Webfest Hamburg und selber Webserienproduzentin. Besonders interessant sei das Format für experimentierfreudige Filmemacher, da es keine festen Standards gibt. Alles kann, nichts muss. Genre-Grenzen existieren nicht.

Wie alles begann
Erinnert sich noch jemand an die digitale Plattform „3min"? Falls nicht, könnte es daran liegen, dass die Telekom ihr Webserien-Projekt aus dem Jahr 2009 nach nur zwei Jahren wieder eingestellt hat. Die durchschnittliche Länge einer Folge betrug drei Minuten und wurde ausschließlich fürs Internet produziert. Ein neuer Ansatz, doch das Format blieb weit hinter den Erwartungen zurück. Auch Zugpferde wie Christian Ulm oder Niels Ruf, die auf der Plattform eigene Serien hatten, konnten daran nichts ändern. Das deutsche Publikum war einfach noch nicht bereit für das neue Format. Webserien wie „Pietshow" (damals von StudiVZ in Auftrag gegeben) oder „Deer Lucy" konnten zur gleichen Zeit zwar kleine Achtungserfolge erzielen, wurden jedoch ebenfalls nach kurzer Zeit wieder abgesetzt. In den USA war man im Bereich Webserien zu dieser Zeit bereits weiter. 1995 lief im Internet mit „The Spot" die erste Webserie, die ein größeres Publikum erreichte (in Spitzenzeiten mehr als 100.000 Klicks pro Tag) und inhaltlich an die bereits bekannte Serie Melrose Place angelehnt war. Die Serie hatte ihre eigene Website (YouTube gab es noch nicht) und bot den Fans die Möglichkeit zur Interaktion. Im Jahr 2006 folgte mit lonelygirl15 eine der ersten Webserien auf YouTube, die für kurze Zeit der meistabonnierte Kanal der Videoplattform war.

Produktionsfirma oder Low Budget
Auch bei digitalen Serien gibt es aufwendige und weniger aufwendige Produktionen. Eine momentan recht erfolgreiche Mystery-Serie ist Wishlist. Die Serie besteht aus 10 Folgen a 15 Minuten und handelt von einer App, die jeden Wunsch erfüllt und dafür unterschiedliche Gegenleistungen fordert. Hinter der Serie steckt mit funk das Content Netzwerk von ARD und ZDF. Klar, dass hier mit etwas mehr Budget gedreht wird - aber das sieht man der Serie eben auch an. Doch digitale Serien können auch ohne großen Aufwand produziert werden. Das wichtigste: „Man braucht eine gute Geschichte", sagt Nick Buckenauer, Serienmacher und Co-Gründer vom Wendie Webfest. Außerdem solle man sich nicht überheben und mit den Mitteln planen, die einem zur Verfügung stehen. „Wenn du keinen Dinosaurier hast, aber für deine Geschichte einen brauchst, denk dir besser etwas anderes aus", ergänzt Nina Heinrich. An der Technik sollte es heutzutage eigentlich nicht mehr scheitern. Es gibt Webserien, die komplett mit dem Handy und einigen Extensions (z.B. spezielle Linse) gefilmt wurden. Was sind also die wichtigsten Sachen auf dem Weg zum Webserienolymp?
1. Hab eine gute Geschichte 2. Brenne für deine Geschichte 3. Hab ein gutes Team
Man kann natürlich auch als „One-Man-Show" Produzent, Regisseur, Kameramann, Cutter, Darsteller und Marketing-Fachmann in einem sein. Aber dann sind wir wieder bei dem Punkt „überheb dich nicht".

Webfestivals und Plattformen
Wer privat und ohne Produktionsfirma an den Start geht, sollte bei den Klickzahlen natürlich keine Wunder erwarten. Nur weil die Serie bei YouTube oder Vimeo hochgeladen ist, heißt das noch lange nicht, dass sie auch jemand findet. Es kann jedoch beispielweise helfen, sich an Plattformen wie unsereserien.de zu wenden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, das Webserienangebot im Netz zu bündeln und auffindbar zu machen. Webfestivals im In- und Ausland sind ein weiterer Multiplikator und können Serien über Landesgrenzen hinaus bekannt machen und Filmemacher untereinander vernetzen. So fand die Webserie Deichbullen des Schleswig-Holsteinischen Regisseurs Michael Söth in Deutschland zuerst kaum Aufmerksamkeit, konnte jedoch bei Webfestivals in Frankreich und sogar auf den Bahamas Preise gewinnen. Mittlerweile hat Söth mit Studio Hamburg Support für die zweite Staffel seiner Deichbullen gefunden. Die Webserie als Sprungbrett und Marketinginstrument? Ein durchaus nicht unüblicher Weg. Unterstützung für junge Serienmacher kann es auch durch Filmhochschulen, Stiftungen (z.B. Hamburgische Kulturstiftung) oder Filmförderungen wie die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein/Filmwerkstattkiel geben. Welche Fördermöglichkeiten es genau gibt, erfragt man am besten in einem persönlichen Gespräch.
Bleibt also abschließend zu sagen, dass es noch nie so einfach und so schwer zur gleichen Zeit war, mit nur wenigen Mitteln den „Web-Durchbruch" zu schaffen. Die Konkurrenz ist zwar groß, wer jedoch Geduld und eine gute Geschichte mitbringt, wird sein Nischen-Publikum finden. Und wer weiß, vielleicht auch Support für das nächste große Ding.
Webserien-Tipps für Einsteiger
Welche frei zugänglichen Webserien sollte man sich momentan auf keinen Fall entgehen lassen? Hier ein paar Tipps aus dem In- und Ausland von der Wendie Webfest-Crew:
Kumbaya!
Kifferkomödie und Religionssatire direkt aus Hamburg Wilhelmsburg.
Produktion: Reclaimed Marshland // Idee & Drehbuch von Nick Buckenauer und Sebastian Droschinski

Fett und Fett
Mit dem Indie Award des Seriencamp Festivals ausgezeichnete Comedy-Serie aus München, die das Leben mit Ende 20 zeigt – oder zumindest den witzigen Teil davon.
Produktion: Chiara Grabmayr & Jakob Schreier
High Road
Mit dem Indie Award des Seriencamp Festivals ausgezeichnete Comedy-Serie aus München, die das Leben mit Ende 20 zeigt – oder zumindest den witzigen Teil davon.
Produktion: Chiara Grabmayr & Jakob Schreier
Darren has a Breakdown
Romantische Comedy-Serie aus Großbritannien, in der Darren über seine große Liebe hinweg kommen muss – die zweite Staffel ist bereits erschienen.
Produktion: Menelik Simpson

C.A.T. - Comics and Actionfigures Team
Und mit der letzten Empfehlung geht es nochmal zurück nah Hamburg – und zwar zu Christian Grundeys trockenhumorige Nerd-Kammerspiel in einem Comicladen auf St. Pauli.
Produktion: Christian Grundey

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