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Willkommen im Neonpalast

19.07.2018 | Szenenbild „Tanken – mehr als Super“

Nur hinter den Kulissen an der Kasse anzutreffen: Szenenbildner Pouya Mirzaei in seinem Element

Anfang des Jahres ist auf dem Studio Hamburg-Gelände innerhalb von vier Wochen eine komplette Tankstelle mit Shop und eigenen Produktlinien nachgebaut worden – doch nichts daran ist echt. Szenenbildner Pouya Mirzaei nimmt uns mit hinter die Kulissen der Letterbox Comedy-Serie „Tanken – mehr als Super" und gibt Einblicke in einen Mikrokosmos, der dem Zuschauer daheim normalerweise verborgen bleibt.

Es ist eine künstliche Welt, in der Pouya Mirzaei lebt. Eine Kunstwelt, die jedoch im TV unheimlich real aussieht, gespickt mit Details, die man in ihrer Fülle als Zuschauer nur erahnen kann. Pouya ist Szenenbildner, sein letztes Projekt die Comedy-Serie „Tanken – mehr als Super", die am 31. Juli bei ZDFneo ihre Premiere feiert. Fast die komplette Serie spielt in einer Tankstelle bei Nacht. Keine große Herausforderung für einen Szenenbildner, könnte man als Laie meinen. Ein Blick hinter die Kulissen offenbart jedoch einen Mikrokosmos, der in den letzten Monaten ein komplettes Filmteam von rund 35 Leuten in Atem gehalten hat. „Es gibt über 40.000 einzelne Produkte in unserer Tankstelle, und alle wurden extra für die Serie entworfen", verrät der Hamburger, der bereits seit Herbst 2017 in enger Abstimmung mit Regie und Produktion am Konzept gearbeitet hat. 

Die Comedy-Serie spielt fast nur während der Nachtschicht - im Studio lässt sich der Tag zur Nacht machen

Die Produkte, die in Zusammenarbeit mit externen Grafikern und teilweise nach Ideen des Autoren und der Produzenten entworfen wurden, tragen Namen wie Lazy Horse (Anti Energy Drink), Führerscheiner Losbräu (Bier) oder Lola Cola. Es gibt Chips mit Salty Banana oder Tofu-Bacon Geschmack und ein Pferdeheft namens Deckhengst. Fast alle Lebensmittel in der Tankstelle können wirklich gegessen bzw. getrunken werden, in der Regel wurden bereits bestehende Produkte einfach mit neuen Etiketten überklebt. „So geben wir den Schauspielern die Möglichkeit, in einer Szene auch einfach mal etwas aus einem Regal zu nehmen und zu essen oder trinken", sagt Produzent Christian Friedrichs. Im Gang zwischen dem Tankstellenshop und dem Büro von Filmfigur Georg findet man Stempelkarten, Schichtpläne und sogar einen fiktiven Fluchtplan, an jedes noch so kleine Detail wurde gedacht.

Doch das ist natürlich nur ein Teil der Arbeit – denn die komplette Tankstelle musste auf dem Gelände von Studio Hamburg in rund vier Wochen aufgebaut werden. Da die Serie fast nur nachts spielt, wurde der Gedanke, auf einer echten Tankstelle zu drehen aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen schnell wieder verworfen. Das Farb- und Ausstattungskonzept, das Regisseur Marc Schlegel gemeinsam mit Kameramann Tom Holzhauser entwickelt hat, ließ sich im Studio jedoch konsequent umsetzen.

Über die Serie

Die Serie „Tanken – mehr als Super" ist eine Produktion im Auftrag von ZDFneo (Redakteur Martin Neumann, Koordinatorin Carina Bernd) und stammt aus der Feder von Gernot Gricksch und Julia Drache, die mit dem Kurzfilm Watu Wote in diesem Jahr für einen Oscar nominiert war. Produziert wurde die Sitcom, deren Vorlage die prämierte isländische Serie "Naeturvaktin" aus dem Jahr 2007 ist, von Christian Friedrichs und Torsten Götz (Letterbox Filmproduktion), Regie führten Marc Schlegel, Joseph Orr und Martina Plura. In der Serie geht es um den degradierten Tagesschichtleiter Georg Bergstedt (Stefan Haschke), der seine Nachtschichten fortan mit den Kollegen Olaf (Daniel Zillmann) und Daniel (Ludwig Trepte) verbringen muss. Beide nehmen es mit der Arbeit leider nicht ganz so genau, was Georg immer wieder zur Weißglut bringt: Denn sein einziges Ziel ist es, zurück in die Tagesschicht zu kommen – und zwar mit allen Mitteln.

Die Zapfsäulen vor der Studio-Tankstelle sind aus Holz und rollbar, alles ist mobil, um aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln drehen zu können und der Kamera genug Freiraum zu geben. „Die Wände der Tankstelle sind so genannte Sprungwände - die kann man einfach rausschieben, damit sich die Kamera dort in dem freigewordenen Loch positionieren kann. So ist man noch näher am Schauspieler dran", verrät Mirzaei. Um Spiegelungen in den zahllosen Fensterscheiben der Tankstelle zu verhindern, bedient sich das Filmteam eines Tricks: Alle Scheiben lassen sich mit einem kleinen Saugnapf schräg stellen – natürlich so, dass es dem TV-Zuschauer daheim nicht auffällt. Auf diese Weise lässt sich der Einfallwinkel so manipulieren, dass das Filmteam in der fertigen Szene nicht mehr zu sehen ist. Der Fußboden ist täuschend echt aufgemalt, genauso wie die zahlreichen Gebrauchsspuren an Wänden und Säulen. Selbst die Schiebetür am Eingang der Tankstelle ist eine Attrappe – sie funktioniert mit einem Seilzug, der manuell bedient werden muss. „Eine echte Schiebetür wäre zu teuer – und wenn sie kaputt geht, müsste extra ein Techniker kommen. So kann man sie schnell selbst reparieren", sagt der Szenenbildner. Pragmatik siegt also am Set. Wenn der Dreh zuende ist, kann die komplette Tankstelle zusammengeklappt und eingelagert werden – alle Wände sind nummeriert und könnten für die zweite Staffel schnell wieder aufgebaut werden.

Trailer "Tanken - mehr als Super"

Angefangen hat die Arbeit an „Tanken – mehr als Super" vor rund zweieinhalb Jahren mit der Entwicklung der Drehbücher. Ernst wurde es dann im Herbst 2017 als klar wurde, dass ZDFneo sein "Go" für die ersten zwölf Folgen gibt. „Das war ein großer Vertrauensbeweis, denn Tanken ist die erste Comedy-Serie, die ZDFneo initial mit zwölf Folgen beauftragt" erklärt Michael Lehmann, Vorsitzender Geschäftsführer der Studio Hamburg Produktion Gruppe. Anschließend stieß Pouya Mirzaei mit seinem Team hinzu und arbeitete eng mit der Produktionsleiterin Monika Praefke und dem Herstellungsleiter Marcus Kreuz zusammen, damit die Tankstelle im Zeitplan und innerhalb des Kostenrahmens realisiert werden konnte. Der studierte Architekt zeichnete Umrisse, gab Stellwände in Auftrag, kalkulierte mit dem vorhanden Budget, suchte mit seinem Team nach den passenden Requisiten und versuchte, die Vision einen „Neonpalastes" mit entsprechendem Corporate Design und Farbpaletten so gut wie möglich mit dem Rest des Teams umzusetzen. Als Vorlage für die Serie hatte man sich eine Tankstelle im Schleswig-Holsteinischen Barsbüttel herausgesucht, deren Bild sogar im Büro der Filmfigur Georg hängt. „Wir erzählen unsere Geschichte in einer Franchise-Tankstelle, für die wir extra einen Styleguide entwickelt haben – samt Farbkonzept, Logo und Schriftart. Das heißt, man hat auch eine Vorlage, wenn man neue Sachen entwickelt – vom Wandposter bis zum Kostüm. Auch Produkte wie Süßigkeiten oder Getränke haben eine bestimmte Farbe, so dass in jeder Kameraeinstellung dieses Farbkonzept zu sehen ist. Alles fügt sich ein", verrät Mirzaei - und man merkt, dass ihm die Detailverliebtheit seines Jobs Spaß macht. 

Der bestimmte Look der Tanken-Welt wird unter anderem durch das indirekte Licht der riesigen Kühlschränke sowie kleine blaue LEDs unter der Decke bestimmt – ein surrendes Neon-Farbspiel, das hohen Wiedererkennungswert hat. Wenn es doch mal mehr Licht sein muss, können Teile der Decke abgenommen werden, um Platz für größere Lichtquellen zu machen. Selbst die unterschiedlichen Räume der Tankstelle sind jeweils in einem ganz bestimmten Farbton gehalten, jeder Raum hat seinen eigenen Charakter. „Generell haben wir die Farbe in den Räumen sehr weit runtergezogen, damit man sich als Zuschauer mehr auf die Schauspieler konzentrieren kann", verrät Mirzaei. Nichts wird dem Zufall überlassen.

Falls mal mehr Licht gebraucht wird: Über der Decke befindet sich eine riesige Lichtbatterie

Seit dem 26. April 2018 ist die erste Staffel von „Tanken – mehr als Super" jetzt abgedreht, feiert am 31. Juli ihre Premiere auf ZDFneo und wird ab diesem Zeitpunkt auch in der ZDFmediathek abrufbar sein. Wir sind uns ziemlich sicher: Wer diesen Artikel gelesen hat, wird die Serie mit noch ein bisschen mehr Ehrfurcht und einem besonderen Blick für's Detail schauen.

Credits: FFHSH, Pouya Mirzaei
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