MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Ein ziemlicher Ritt

24.09.2025 | Donkey Days beim Filmfest Hamburg

Mehrere Schauspieler*innen sitzen um einen Tisch mit Essen. Im Vordergrund sitzt eine Frau mit Kamera und film die Szene
Copyright für alle Fotos: Family Affair Films / Junafilm

Nachdem Rosanne Pels „Donkey Days“ seine Weltpremiere dieses Jahr im Wettbewerb von Locarno gefeiert hat, folgt jetzt die Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg. Das witzig-tragische Familiendrama wurde in Hamburg und Schleswig-Holstein gedreht und von Junafilm aus Hamburg heraus koproduziert. Warum die Dreharbeiten ganz anders verliefen als bei vielen anderen Kinofilmen und was Hauptdarstellerin Jil Krammer eigentlich hauptberuflich macht, verraten wir euch hier.

Von Daniel Szewczyk

Normalerweise werden Kinofilmproduktionen an einem Stück gedreht. 30 Tage, 40 Tage, vielleicht mehr. Normalerweise lernen die Darsteller*innen im Vorwege Skripte mit teilweise sehr langen Dialogen auswendig und wissen, zu welcher Zeit sie an welcher Stelle eines Raumes stehen. Normalerweise. Bei Donkey Days lief alles ein wenig anders: Der Film wurde in fünf Blöcken über den Zeitraum von einem Jahr gedreht. Das komplette Skript kannten die Darsteller*innen bei Drehbeginn nicht – viele Szenen und Dialoge sind improvisiert oder erst kurz vor Dreh entstanden. Und Hauptdarstellerin Jil Krammer steht zum ersten Mal überhaupt vor der Kamera. Geschadet hat all das dem Film nicht – ganz im Gegenteil: Die Dynamik zwischen den Darstellerinnen ist einzigartig, die Dialoge messerscharf – mal zum Lachen, mal zum Weinen – und Regisseurin Rosanne Pel ist ganz dicht dran an ihren Charakteren und legt Stück für Stück ihr komplexes Inneres frei.

Eine Frau mit einer großen Kamera steht im Vordergrund, eine Frau und ein Mann mit MIkrofon direkt dahinter.
Rosanne Pel (l,), Kamerafrau Aafke Bernink (Mitte) und Tonmeister Jaap Sijben

Dreharbeiten in Hamburg und Schleswig-Holstein

Im Sommer 2023 viel in Hamburg der Startschuss für das ambitionierte Projekt, bei dem zwei Personen im Zentrum stehen: Die beiden Schwestern Anna (Jil Krammer) und Charlotte (Susanne Wolff), die seit ihrer Kindheit um die Aufmerksamkeit ihrer Mutter Ines (Hildegard Schmahl) konkurrieren. Die alten Wunden brechen wieder auf, als sie im Erwachsenenalter in ihr Elternhaus zurückkehren und auf gut gehütete Geheimnisse stoßen – darunter die mysteriöse Asche eines Verstorbenen und die tiefe Liebe ihrer Mutter zu einem Esel. 

„Das alte Elternhaus haben wir in der Nähe von Bad Segeberg in Schleswig-Holstein gefunden, Gut ein echter Glücksgriff. Das Apartment von Anna wiederum liegt auf St. Pauli. Darüber hinaus waren wir auch in Altona, Ottensen, St. Georg und Eimsbüttel mit unserem Team unterwegs“, sagt die Hamburger Produzentin Verena Gräfe-Höft (Junafilm).

Gedreht wurde in fünf Drehblöcken, von denen jeder Block acht bis zehn Drehtage umfasste – aufgeteilt auf die vier Jahreszeiten. Der Grund: "Während eines normalen Drehs bleibt kaum Zeit, innezuhalten und über das Material nachzudenken. Dabei ist es sehr hilfreich, wenn man die Gelegenheit hat dies tun zu können. So kann man Anpassungen vornehmen, verborgene Ebenen einführen oder sogar den Tonfall ganz neu definieren. Ich denke, es kann zu einer anderen Art des Geschichtenerzählens führen, was für die Vielfalt sehr wichtig ist", sagt Regisseurin und Drehbuchautorin Rosanne Pel.

Cast und Crew auf der Seitentreppe eines Hauses in der Natur.
Cast und Crew bei den Dreharbeiten in Schleswig-Holstein
Eine Gruppe von Menschen steht vor einer gelb angemalten Wand
Setvisit in "Annas Apartment" in St. Pauli: Das Kernteam mit u.a. Verena Gräfe Höft (3.v.r.) und Katrin Mersmann von der MOIN Filmförderung (2.v.l.)

Vorbereitung der Dreharbeiten in Frankreich

Bevor die Dreharbeiten beginnen konnten, fuhr Pel mit ihrem Hauptcast für eine Woche nach Frankreich, um erste Szenen zu Proben und Dynamiken auszuloten. „Wir haben dort viel über die Charaktere diskutiert. Außerdem spielt eine der Schlüsselhandlungen des Films während eines einwöchigen Frankreichurlaubs auf dem Land. Das war sehr hilfreich, um in die Rollen zu finden“, sagt Pel. Diese Vorbereitung war auch extrem wichtig, da der Cast das Drehbuch nur in Auszügen kannte.

Zwei Frauen sitzen und unterhalten sich - zwei weitere Frauen und ein Mann stehen um sie herum. Im Hintergrund eine Bücherwand
Besprechung der nächsten Szene

Maximal kreativ, minimale Vorgaben

„Das war wirklich ein schmaler Grad: Wir wollten während der Dreharbeiten maximal kreativ bleiben und viel Improvisation zulassen, mussten aber dennoch ein solides Framework für die Schauspieler*innen und die gesamte Organisation der Dreharbeiten schaffen“, sagt Verena Gräfe-Höft. Am Ende habe jedoch alles bestens geklappt. „Ich habe bei meinem letzten Film auch viel mit Improvisation und Laiendarsteller*innen gearbeitet – ich mag die Dynamik, die dabei entsteht. Doch gerade für etablierte Schauspieler*innen ist es am Anfang manchmal gar nicht so leicht, so zu arbeiten. Das Problem hatten wir bei Jil zum Glück nicht, da sie das erste Mal vor der Kamera stand“, so Pel. Jil Krammer, die eigentlich Köchin in einem Hamburger Restaurant ist, kam über ein Mitglied des Filmteams zum Cast hinzu – eine echte Bereicherung für den Film.

Premiere in Locarno und beim Filmfest Hamburg

„Für mich war der Dreh ein ziemlicher Ritt, da ich permanent an die nächsten Schritte denken musste. Nach jedem Drehblock setze ich mich mit meinem Editor in den Schneideraum, schrieb Szenen für den nächsten Block um oder gleich ganz neu. Als wir nach über einem Jahr endlich fertig waren mit dem Projekt und die Nachricht aus Locarno kam, war das wie eine Erlösung für mich“ sagt Rosanne Pel.  In Locarno wurde „Donkey Days“ sehr gut aufgenommen. Es wurde viel gelacht und auch etwas geweint. „Viele Leute haben den Film auch als Anlass genommen, um im Anschluss über ihre eigene Familiensituation zu sprechen. Ein echtes Kompliment für den Film“, sagt Produzentin Verena Gräfe-Höft.

Am 28. September folgt nun die Deutschlandpremiere beim Filmfest Hamburg in der Sektion „Große Freiheit“. Ein Heimspiel für Pel, die eigentlich aus Amsterdam kommt aber mittlerweile seit rund sieben Jahren in Hamburg lebt. Und auch der Hauptcast um Susanne Wolff und Jil Krammer wird bei der Premiere in Hamburg vor Ort sein. Letztere nicht allein: Das Restaurant, in dem Krammer arbeitet, wird einen Abend lang geschlossen, damit das Team bei der Premiere mit dabei sein kann. Eine schöne Geste. Familie eben.

Donkey Days startet am 30. April 2026 regulär in den deutschen Kinos.

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