MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Wie Hamburg zum Zentrum des Kurzfilms wurde

15.11.2022 | 30 Jahre Kurzfilm Agentur Hamburg

Die Kurzfilm Agentur im Jahr 1997

Anfang der 1990er-Jahre gründete eine Gruppe fast anarchischer Enthusiast*innen die Kurzfilm Agentur Hamburg. Inzwischen hat sie sich zu einer international agierenden und anerkannten Institution entwickelt und Hamburg zu einem Zentrum des Kurzfilms gemacht. In diesem Jahr feiert sie ihren 30. Geburtstag und richtet erstmals die Verleihung des Deutschen Kurzfilmpreises aus. Das Anarchische ist kreativer Professionalität gewichen, der Enthusiasmus aber ist geblieben.

von Britta Schmeis

Es sind Szenen, die heute kaum vorstellbar sind: Beim NoBudget-Wettbewerb, aus dem 1992 die Kurzfilm Agentur Hamburg (KFA) hervorgegangen war, vergibt die Jury 1993 keinen Preis. Der ebenso verehrte wie verachtete Regisseur Wenzel Storch begründet dies mit den Worten: „Es war kein einziger Film dabei, der es verdient hätte, den Preis zu bekommen." Glück für die Kurzfilm Agentur, die stattdessen das 5000-DM-Preisgeld erhält. Bei der gleichen Preisverleihung soll über das Thema für einen Wettbewerb des Folgejahres abgestimmt werden. Dabei erhält der Vorschlag der Festivalleitung tosenden Applaus, allerdings vom Band. Die Sache fliegt auf und die Festivalleitung lenkt ein. Eine andere unkonventionelle, zum Skandal taugende Begebenheit drei Jahre später: „Neulich am Deich" von Janek Rieke wird als Gewinner eines Wettbewerbs proklamiert. Dumm nur, dass da noch gar nicht alle Stimmen ausgezählt sind. Danach ist Fatih Akins „Sensin – Du bist es!" der Gewinner. Kurzum wird der Preis geteilt.

Das waren noch Zeiten: Im Oktober 1992 fand die Gründungsversammlung der KFA statt

Wenn Alexandra Gramatke auf diese Zeiten zurückblickt, muss sie lächeln und ist doch überzeugt, dass dieses Überraschende, das Subversive und Unkonventionelle das Format Kurzfilm ausmacht. Maximal 30 Minuten darf es lang sein. Das erfordert die Lust und Kreativität zu experimentieren, neue visuelle Ausdrucksformen zu entwickeln, Geschichten anders zu erzählen. „Es ist oftmals der Mut zum Unvollkommenen, der die Filmemacher*innen und auch die Kurzfilme ausmacht", sagt Gramatke, die zuvor selbst Dokumentarfilme gedreht hatte. Seit 2008 lenkt sie als Geschäftsführerin die Geschicke der KFA. 14 Jahre, in denen die Branche und auch die Agentur einen enormen Wandel vollzogen haben. Die Digitalisierung des Filmmachens fiel in diese Zeit. Und auch der Umzug der Agentur mit ihrem festen Stamm von 15 bis 20 Mitarbeiter*innen vom Filmhaus in Ottensen in die ehemalige Viktoria-Kaserne und das heutige Gebäude der fux-Genossenschaft. Dort, am gemeinsam betriebenen Produktionsort für Kunst, Kultur und Gestaltung, Gewerbe und Bildung, hat die KFA nicht nur sehr viel mehr Platz, sondern auch ein kreatives Umfeld, das zahlreiche Kooperationen entstehen lässt.

Alexandra Gramatke führt seit 2008 die Geschäfte der Kurzfilm Agentur Hamburg und hat den Deutschen Kurzfilmpreis 2022 nach Hamburg geholt

Die Basis für den Erfolg der Agentur, die Entwicklung Hamburgs zum Hotspot der Kurzfilmszene, aber schufen andere, wie Gramatke betont. Da ist zuallererst Markus Schaefer, der erste Geschäftsführer der KFA und „Godfather of shortfilm", wie Gramatke ihn nennt. Er war es, der mit seiner Hartnäckigkeit und auch Unverfrorenheit den Grundstein für das NoBudget-Festival, das spätere Kurzfilm Festival, und damit der Kurzfilm Agentur legte – gegen viele, auch politische Widerstände, und ohne jegliche finanzielle Unterstützung der Stadt, weil, so wird der damalige Senatsbeauftragte für Film, Hanno Jochimsen zitiert, diese zunächst eine Förderung ablehnte. Seine Begründung: „Die Stadt hat Sie nicht gebeten, ein Kurzfilmfestival zu veranstalten." Das war 1987, und die Zeiten haben sich glücklicherweise komplett geändert. Unter der zweiten Geschäftsführerin Astrid Kühl (1997 - 2008, links auf dem Titelfoto zu sehen) wich die Wildheit der Anfangszeit kreativer Professionalität, die Kurzfilm Agentur profitierte zunehmend von Fördernetzwerken, um dem Kurzfilm eine Bühne zu bieten.

Mittlerweile erhält die KFA Unterstützung unter anderem von der Behörde für Kultur und Medien Hamburg, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und für bestimmte Projekte von der MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein. Bereits mit der Kultursenatorin Christina Weiss (1991 bis 2001) hatte die Szene eine wirkmächtige Fürsprecherin, ebenso mit der langjährigen Filmreferentin Juana Bienenfeld. Aktuell steht das Team rund um den Kultursenator Carsten Brosda voll hinter der Kurzfilm Agentur.

Das Kurzfilm Festival 2022 in den ehemaligen Post-Hallen am Kaltenkircher Platz

Vor allem aber war und ist es die Leidenschaft der Filmschaffenden, die sich in der Stadt ansiedelten, von der Stoffentwicklung bis zur Postproduktion. „Die Szene ist überschaubar und dennoch extrem international. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal", sagt Gramatke. Hinzu kommen mit der Hochschule für bildende Künste, der Hochschule für angewandte Wissenschaften und der Hamburg Media School gleich drei Hochschulen in Hamburg, die Filmstudiengänge anbieten.

Mit dem Hauptziel, die Abspiel- und Verwertungsmöglichkeiten des Kurzfilms zu verbessern, versteht sich die KFA als Schnittstelle zwischen Filmschaffenden und Nutzer*innen. Dabei liegt der zentrale Fokus auf dem Kurzfilmverleih für Kinos und andere Abspielorte, der schon 1992 gegründet wurde. Weitere Schwerpunkte sind der Kurzfilmvertrieb mit internationalem Rechtehandel sowie das Kurzfilm Festival Hamburg, das Junge Kurzfilm Festival Hamburg Mo&Friese und die Kurzfilm Schule für die praktische Filmarbeit an Schulen. Zudem verfügt die KFA über ein riesiges Archiv mit mehr als 50.000 Kurzfilmen und bietet auf ihrem Youtube-Kanal mit knapp 280.000 Abonnent*innen zahlreiche Kurzfilme zum Streamen an.

Das Team der KFA ist vor ein paar Jahren zur fux-Genossenschaft in die Viktoria-Kaserne gezogen

Und die KFA ist bedeutender Knotenpunkt und Akteurin des internationalen kurzfilmrelevanten Netzwerks, beispielsweise als Gründungs- und Vorstandsmitglied der AG Kurzfilm – Bundesverband Deutscher Kurzfilm, und des Short Circuit, des europäischen Verbandes der Kurzfilmverleiher und -vertriebe. In diesen Funktionen ist die KFA eine einflussreiche Gestalterin in der Filmpolitik und eine der wichtigsten Institutionen dieser Art in Deutschland.

Umso konsequenter und folgerichtig ist es, dass die Kurzfilm Agentur Hamburg in diesem Jahr die Verleihung des Deutschen Kurzfilmpreises, vergeben von der Staatsministerin für Kultur und Medien, am 17. November auf Kampnagel ausrichtet. In sechs Kategorien wird dort die wichtigste Auszeichnung des Formats vergeben. Ein schönes, wenn auch arbeitsintensives Geschenk zum 30. Geburtstag der KFA, die sich den Charme des Subversiven, Unkonventionellen und Innovativen bis heute bewahrt hat.

 

Credits: Kurzfilm Agentur Hamburg / Claudia Höhne
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