MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Wild Wild West in Hamburg City

04.10.2017 | Es war einmal Indianerland

Kinostart: 19. Oktober

Schnelle Schnitte, irrwitzige Kamerafahrten und Western-Ästhetik - das Langfilmdebüt von Regisseur İlker Çatak ist ein Bilderrausch, an dem man sich kaum satt sehen kann. Wir haben mit dem Hamburg Media School-Absolventen über Westernfilme, Regie-Vorbilder und den Look seines neuen Films gesprochen.

Eigentlich handelt es sich bei „Es war einmal Indianerland" um einen klassischen Coming of Age-Film. Was hebt den Film deiner Meinung nach von anderen Filmen dieses Genres ab?

Schwer zu sagen. Für mich war Indianerland eigentlich nie ausschließlich ein Jugendfilm, sondern sowas wie eine Reise. Die Reise ins Ich, in die Sphären des Unterbewussten, ins Weltall. In die nur schwer zu erklärenden Zusammenhänge, die uns der Kosmos liefert, wenn wir unserer Intuition vertrauen, ihr zuhören, ihr nachgehen. Als wir den Film gemacht haben, hab ich keine Sekunde an mein jugendliches Publikum gedacht - eher war es so, dass mein Team und ich selber einen Film sehen wollten, der Spaß macht. So hat auch Nils Mohl den Roman geschrieben. Ich würde also sagen, es ist ein Film für Erwachsene im Deckmantel des Jugendfilms.

Regisseur Ilker Catak bei der Arbeit
Schnell geschnitten, Zeitsprünge, irrwitzige Kamerafahrten: Der Film wirkt eher wie eine US-Produktion als wie ein deutscher Debütfilm. Wie ist der Look entstanden?

Ich habe da so einen Ordner in der Dropbox, da schmeiße ich alles rein, was mich irgendwie tangiert: Musik, Bilder, Texte, Filmschnipsel. Alles was interessant ist. Darüber rede ich dann mit den Head of Departments. Und so kommt der Look zustande. Ein sehr intuitiver, Spaß bringender Prozess. Die aufwendige Postproduktion für Es war einmal Indianerland hat fünf Monate gedauert.

Welche Regisseure hast du als Vorbilder?

Ich bin ein großer Paul Thomas Anderson-Fan. Der Kerl war immer mein großes Vorbild. Seine Filme sind wahnsinnig facettenreich und immer zutiefst menschlich. Mit virtuosen Schauspielleistungen. Für Indianerland waren aber auch Leos Carax, Alejandro Jodorowski, JL Godard und Edgar Wright stilweisende Vorbilder. Der Ideenreichtum ihrer Filme hat die eine oder andere Einstellung inspiriert. Und natürlich bin ich schon immer großer Fatih Akin-Fan gewesen. Seine Filme haben Herz und Eier. Zudem schreibt und produziert er die Dinger auch noch. Das ist krass. Davor ziehe ich den Hut!

Der Film fühlt sich ein bisschen so an, als würde man sich einen alten Westernklassiker im neuen Gewand auf DVD anschauen – inklusive Vor- und Rückspultaste. War das von Anfang an so geplant?

Klar, die Westernanspielungen hatten wir schon auf dem Schirm. Aber das ist eher dem Roman geschuldet. Nils Mohl ist ein großer Western-Fan. Der Western hat einige sehr coole filmische Mittel kultiviert. Beispielsweise diese wackligen Reiß-Zooms, etwa wenn sich die Jungs gegenseitig erschießen. Ich finde es schade, dass der Zoom so dermaßen außer Mode gekommen ist. Und für Indianerland wollte ich sowas wieder haben. Unser Editor Jan Ruschke hat dann den Crash-Zoom eingeführt, was eine Interpretation der Western-Zooms ist, nur dass er nicht mit einer Zoom-Linse, sondern aus den Möglichkeiten des digitalen Films durch mehr Auflösung entsteht. Wenn ich jetzt genau erkläre, wie das funktioniert, wird es sehr technisch. Kurzum: Zooms sind geil!

Hast du einen Lieblingswesternfilm?

There Will Be Blood. Kein klassischer Western, aber bester Film ever.

Es war einmal Indianerland - Trailer

Der Boxsport nimmt im Film viel Raum ein. Musste Hauptdarsteller Leonard Scheicher Boxtraining nehmen oder hat er bereits vorher geboxt? 

Mich hat es immer gewundert, dass wir in Deutschland nur selten so radikale Schauspieler-Metamorphosen zu sehen bekommen, wie beispielsweise Charlize Theron in Monster oder Christian Bale in The Machinist. Als wir dann gecastet haben, wurde mir sehr schnell klar, dass es nicht an den Schauspielern liegt, sondern uns Entscheidern, also Regisseuren, Produzenten, Redakteuren, jenen Schauspielern das Vertrauen auszusprechen. Als ich Leonard im Casting hatte, war er alles andere als ein Boxer. Und er hatte nur vier Monate Zeit, sich sowohl die Technik, als auch den Körper eines Boxers anzutrainieren. Es war also ein großes Risiko, ihm diese Rolle zu geben. Aber ich wollte es wagen. Was er dann geleistet hat, will mir immer noch nicht in den Kopf. Er ist ein wahnsinnig intelligenter Kerl. Er hat sich richtig eingelesen, wusste wie man essen, trainieren und schlafen muss, um den Körper in so kurzer Zeit so hinzubekommen. Und Leonard hat eine eiserne Disziplin, die er bis zum letzten Drehtag durchgezogen hat. Ich bin richtig stolz auf ihn.

Wie ist die Zusammenarbeit mit Bjarne Mädel zustande gekommen, der im Film zwei skurrile Kurzauftritte hat?

Für die Rolle wollten wir einen echten Hamburger. Und ich war schon immer ein großer Bjarne Mädel-Fan. Er hat die großartige Gabe, Texte so zu sprechen, dass sie so klingen, wie jemand, den man irgendwie kennt. Wenn ich seiner Stimme lausche, dann könnte das direkt jemand aus dem Freundeskreis sein. Ich fühlte mich ihm schon immer verbunden, ohne ihn je gekannt zu haben. Unser Producer Johannes Jancke hat letztlich den Kontakt hergestellt - er hat 24 Wochen produziert und kannte Bjarne aus dem Projekt. Riesenfilm übrigens!

Wo ist die Festivalszene entstanden und wie war es, dort zu drehen?

Das haben wir in einem kleinen polnischen Kaff namens Garbicz gedreht. Da findet jedes Jahr ein Festival mit überwiegend deutschem Publikum statt. Perfekte Drehbedingungen sind allerdings was anderes: Viele Menschen, weites Gelände, Musik überall. Das hat die Kommunikation am Set extrem erschwert. War alles andere als spaßig, dort zu drehen, dennoch bin ich sehr dankbar, dass es geklappt hat. Letztlich ist ein Festival auch immer ein Ort der Utopie und wenn da jemand hinfährt, um zwei Tage Abstand vom Alltag zu gewinnen, dann will man das als Filmteam nicht kaputtmachen. Wir hatten großes Glück.

Wie hat sich dein Leben verändert, seitdem du den Studenten-Oscar für deinen HMS-Abschlussfilm Sadakat gewonnen hast?

Ganz bestimmt positiv: Der Studi-Oscar ist ein guter Türöffner, schafft Aufmerksamkeit und gibt Selbstbewusstsein. Tolle Sache im Grunde!

In ein paar Tagen geht es für dich für die Dreharbeiten zu deinem neuen Film in die Türkei - magst du dazu kurz was erzählen?

Ich arbeite gerade an einem Stoff, den ich schon sehr lange mit mir rumtrage: eine deutsch-kurdische Liebesgeschichte von zwei ungleichen Außenseitern. Ich drehe dazu aber erstmal einen Dokumentarfilm. Eine Form der Recherche, wenn man so will...

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