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Mit Herz und Hirnschmalz

28.02.2018 | Little Dream Entertainment

Faraz Schuster von Little Dream Entertainment

Mit Teheran Tabu hat die Produktionsfirma Little Dream Entertainment 2017 für Furore gesorgt. Warum das Team mit Sitz in Hamburg und Köln nun auch das Verleihwesen aufwirbelt, erzählt der »Head of Theatrical« Faraz Schuster im Interview.

Little Dream Entertainment ist als klassische Filmproduktion gestartet. Im Herbst 2016 habt ihr euren eigenen Verleih gegründet. Wie kam es zu dem Schritt?

Da kann ich am besten unseren Produzenten Ali Samadi Ahadi zitieren, der immer Folgendes sagt: »Du hast vier Jahre deines Lebens mit diesem einen Film verbracht, vom Schreiben, Drehen bis zum Regieführen. Der Film ist dein Baby. Und dann kommt ein externer Verleih und hat eventuell ganz andere Vorstellungen als du selbst«. Mit dem Wunsch, die Dinge stärker in der Hand zu haben, ging es los: Wir wollten einen Verleih, der mit Leidenschaft und Transparenz arbeitet und mit dem man schnell wichtige Dinge besprechen kann. Der die Filmschaffenden mitreden lässt und der auf eine faire Partnerschaft setzt.

Was sind die Vorteile, Filmproduktion und -verleih unter einem Dach zu haben?

Mit der eigenen Produktion im Haus ist das eine ganz andere Welt. Das kannst du mit einem klassischen Verleih nicht vergleichen. Du sitzt in deinem Büro und nebenan werden noch die Trailer geschnitten. Oder der Drehbuchautor ist im Haus und ruft rüber: »Meinst du, diese Figur würde dir bei der Vermarktung helfen? Kann man aus ihr vielleicht ein Plüschtier machen?«. Das macht die Kombination aus Produktion und Verleih so facettenreich und toll.

Gibt es etwas, das ihr anders machen wollt als alle anderen?

Auch wir können das Rad nicht neu erfinden. Wir sind aber bereit, neue Wege zu gehen, und sind uns für nichts zu schade. Du brauchst einen gewissen Vorlauf, um einen Film wirklich anzufassen. Ich glaube, das ewige »Schnell-Schnell« tut den Filmen nicht gut. Das Timing spielt eine große Rolle. Bei Little Dream fokussieren wir uns darum sehr lange mit allen Kräften auf einen Film und arbeiten nicht parallel noch an fünf weiteren Titeln. Vielleicht ist das unser Erfolgsrezept. Mit unserem dritten Film Hilfe, unser Lehrer ist ein Frosch (Anna van der Heide, BosBros. Film & TV Productions, Anm. d. R.) konnten wir bereits 60.000 Leute ins Kino holen. Das hört sich vielleicht nicht viel an, aber das ist für einen neu gegründeten Verleih echt toll und eigentlich eine kleine Sensation. Das verdanken wir auch unserem Partner »24 Bilder«, die für uns eine wunderbare Arbeit leisten.

Wann fängst du an, mit den Filmschaffenden über die Vermarktung zu sprechen?

Bei unserer Eigenproduktion Peterchens Mondfahrt fange ich jetzt schon an, das Vermarktungskonzept zu entwickeln, auch wenn wir von einem Kinostart frühestens 2019 oder 2020 reden. Wir wollen das Märchenbuch neu herausbringen und überlegen, mit welchen Themenparks wir zusammenarbeiten könnten.

Bei Hilfe, unser Lehrer ist ein Frosch war es so, dass der Film logischerweise schon fertig gedreht war. Er lief ja schon in Holland, als wir ihn bekommen hatten. Inhaltlich ist da nicht mehr viel zu machen, aber wir haben zum Beispiel einen neuen Trailer geschnitten. Bei dem Originaltrailer haben aus meiner Sicht einige wichtige, flotte Szenen gefehlt. Vor allem zum Schluss, wenn die Kinder zusammen auf dem Schiff tanzen. Wir haben den Titel geändert und das Artwork leicht angepasst. Das konnten wir machen und das hat sich auch ausgezahlt. Nicht nur die Kinozahlen waren gut, wir haben auch viel positives Feedback von den Kinobetreiben erhalten. Das war sehr wichtig für uns. Für die Kinos bist du ein Neuling. Sie wissen nicht, ob sie sich auf dich verlassen können. Aber der Frosch hat für uns so gut funktioniert, dass unser nächster Kinofilm, den wir im März herausbringen – auch ein holländischer Kinderfilm mit dem Titel Mein Freund, die Giraffe – es wesentlich einfacher haben wird, in den Kinos zu landen.

Trailer - Mein Freund, die Giraffe

Du hast früher große Blockbuster wie Transformers oder Terminator erfolgreich vermarktet. Little Dream Entertainment ist ja stärker im Arthouse-Bereich angesiedelt. Wo liegen die größten Unterschiede?

Erst einmal vorab (protestiert lachend): Wir machen nicht ausschließlich Arthouse. Nichts gegen Arthouse, aber wir wollen so facettenreich wie möglich bleiben. Wir wollen uns auch nicht auf holländische Kinderfilme spezialisieren (lacht). An sich kann man sagen: Genauso wie mein geschätzter Kollege Ali Samadi Ahadi Filme macht, wollen wir auch als Verleih arbeiten – mit Dokumentarfilmen wie Lost Children, Komödien wie Salami Aleikum oder Kinderfilmen wie Pettersson & Findus.

Und zu den Blockbustern: Der größte Unterschied ist natürlich das Budget. Bei Paramount, meinem ehemaligen Arbeitgeber, wussten wir schon 2011, dass 2014 Transformers 4 herauskommt. Die Majors haben aber auch vor allem Zeit und Vorlauf für Planungen, Ideen und Konzepte. Davon lassen wir uns bei Little Dream auch gerne inspirieren und versuchen trotz geringeren Budgets, durch mehr Engagement und Herzblut unsere Filme zu vermarkten. Für Mein Freund, die Giraffe haben wir uns zwei Giraffenkostüme besorgt und werden im Vorfeld des Kinostarts mit Flyern und Süßigkeiten in die großen Einkaufszentren gehen. Und wir kooperieren mit Tierparks, um zum Beispiel den Titel auf die Rückseite der Tickets zu drucken. Das passt thematisch zum Film, da die Giraffe ja auch in einem Tierpark wohnt. Kleine Budgets machen extrem kreativ. Natürlich jammern wir auch ab und an, aber sie zwingen dich eben dazu, noch mehr Hirnschmalz in das Projekt zu geben, als wenn du einfach auf den entsprechenden Knopf drückst und der TV-Spot geht los.

Gib uns mal den ultimativen Tipp: Wie bringt man die Leute ins Kino, um genau deinen Film zu sehen?

Den gibt's nicht (lacht). Wovon ich aber überzeugt bin: Man muss sich immer wieder neu aufstellen. Auch beim Frosch haben wir uns hingesetzt und abgeklopft, was funktioniert hat und was nicht. Und auch wenn ich mich tausendmal wiederhole, bleiben Leidenschaft, Herzblut und Kreativität für uns entscheidend. Die Filme sind für uns wie kleine Kunstwerke und wir versuchen, so viele Menschen wie möglich damit zu begeistern. Was mir allerdings im Herzen wehtut, ist, wenn andere ihre Filme als »Ware« bezeichnen. So arbeiten wir nicht. Ich brauche auch keine ausgefeilten Reportings von unseren Agenturen. Wenn ich sehe, dass alle mit Leidenschaft an den Film gegangen sind und er trotzdem floppt, dann bin ich fein damit. Dann haben wir alles gegeben.

2017 haben ja einige Filme Wellen geschlagen, die nicht den klassischen Vertriebsweg gegangen sind. So hat die Dokumentation Embrace an einem Spieltag alle Besucherrekorde gebrochen. Sind das Strategien, die euch auch reizen?

Das Ergebnis von Embrace ist sensationell. Mich freut es ungemein, wenn man andere Wege geht und damit Erfolg hat. Der Film hätte genauso gut auf Netflix laufen können, dann wäre das ein Film unter ganz vielen anderen Produktionen gewesen. Vermutlich hätte sich kaum jemand dafür interessiert. Das beweist auch, was ich immer sage: Es geht noch. Kino geht noch. Dokumentarfilme funktionieren noch.
Wir bringen 2018 den Dokumentarfilm Die Grüne Lüge vom Plastic Planet-Regisseur Werner Boote heraus, in dem es um die Öko-Lügen der Konzerne geht. Der Film ist witzig, informativ – und auf der anderen Seite bleibt beim Gucken ein Kloß im Hals stecken. Wir bekommen bereits unzählige Anfragen von Organisationen und Öko-Bauernverbänden, die mit uns zusammenarbeiten wollen. Der Film könnte einen Nerv treffen und kommt genau zur richtigen Zeit.

Das heißt, du glaubst noch ans Kino?

Absolut! Mehr denn je. Ich glaube, Teheran Tabu steht ein bisschen dafür, was ich am Kino mag. Ich will etwas Innovatives sehen, diesen Aha-Effekt erleben – das, was ganz früher auch Hollywood ausgemacht hat. Bei Avatar war das noch einmal so, der erste 3D-Film, die Geburtsstunde, aber nach zwei Stunden war das auch für mich beendet. Kino muss dich mitnehmen, egal, ob das über die Geschichte geht oder über das Visuelle. Das macht gutes Kino für mich aus.

2017 mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet: Teheran Tabu
Wie siehst du deine Arbeit in den kommenden zehn Jahren?

Dass wir Peterchens Mondfahrt nun im Eigenverleih herausbringen – das ist für mich ein Quantensprung und fühlt sich nach Champions League an. Wir haben mit Frank Geiger und Ali Samadi Ahadi Leute im Haus, die große Filme produzieren wollen. Das heißt, wir werden Jahr für Jahr wachsen. Das müssen wir auch, um Filme wie Peterchens Mondfahrt zu wuppen. Aber ich werde unser Line-up immer wieder ergänzen um schwere Stoffe wie Goliath 96 mit Katja Riemann. Weil diese Filme wichtig sind und weil dafür unser Verleih steht. Und ich kann euch garantieren, das werde ich in zehn Jahren noch genauso machen.

Credits: Little Dream Entertainment
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