MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Animationsfilme "Made in Hamburg"

15.06.2018 | Die Szene im Fokus

Animationsfilme wie Shrek, Findet Nemo oder Despicable Me waren in den letzten Jahren weltweite Kassenerfolge, die ihre Realfilmkollegen oftmals auf die hinteren Ränge verwiesen. Und: Alle wurden in den USA produziert. Dass sich der Blick auf deutsche Produktionen mittlerweile mehr als lohnt, zeigen zahlreiche Beispiele hiesiger Produktionsschmieden. Wir haben uns für euch anlässlich der Hamburg Animation Conference am 19. Juni in der Hansestadt etwas umgeschaut. Spoiler: Der Norden hat einiges zu bieten!

780.000 Kinobesucher. Eine stolze Zahl. So viele Menschen haben den Animationsfilm Niko – Ein Rentier hebt ab in Deutschland im Jahr 2009 gesehen. Rund sieben Jahre hat die Arbeit an dem Kinderfilm gedauert, der mittlerweile fast schon Kultstatus erreicht hat und Jahr für Jahr an Heiligabend im ZDF läuft. Koproduziert wurde der deutsch-finnische Film von der Hamburger Firma Ulysses, die bereits seit 2004 im Animationsbereich mitmischt. Seitdem ist eine Menge Zeit vergangen und Ulysses zu einer festen Größe im europäischen Animationsmarkt geworden. 2016 wurde Ulysses-Chefin Emely Christians beim „Cartoon Movie" von 750 Branchenprofis zur Produzentin des Jahres gewählt. Filme wie Ooops! Die Arche ist weg, Überflieger: Kleine Vögel, großes Geklapper oder aktuell Luis und die Aliens haben sich in über 170 Territorien außerhalb Deutschlands verkauft. Mehr als 600.000 Leute haben "Ooops!" alleine in Frankreich gesehen, in UK waren es rund eine halbe Million.

Das bayala-Team mit Produzentin Emily Christians (2.v.l.) und Regisseurin Aina Järvine (r.)

Die europäischen Kids können kaum genug bekommen von den skurrilen Figuren, die Ulysses gemeinsam mit der Hamburger Animationsschmiede Studio Rakete und weiteren europäischen Partnern kreiert: „Kinder sind ein wirklich anspruchsvolles Publikum und sehr aufmerksam, was die Inhalte angeht – sie verstehen die Geschichten oft intuitiv und auf einer ganz anderen Ebene als wir Erwachsenen. Unlogische Handlungsstränge decken sie schnell auf – aber wenn es für ihre Helden brenzlig wird, hoffen sie auf Wunder.", verrät Emely Christians . Gerade bei Festivals mit Kinderjury konnte Ulysses in den letzten Jahren zahlreiche Preise mit nach Hause nehmen, was Christians besonders freut. Doch um kreativ tätig zu sein, braucht man ein passendes Umfeld. In Hamburg fühlt sie sich mit ihrem Team sehr gut aufgehoben: „Wir haben in der Hansestadt tolle Talente in allen Bereichen: Zum Beispiel Character-Designer, Animatoren und Komponisten, starke Personen im technischen und administrativen Bereich und in der Postproduktion. Und wir trauen uns mittlerweile mehr, wir müssen uns nicht hinter amerikanischen Studios verstecken", so Christians.

In Hamburg und auch Schleswig-Holstein haben sich im Laufe der letzten Jahre 78 Unternehmen im Animations- und Trickfilmbereich angesiedelt, darunter viele Firmen, die mittlerweile weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind: So ist die im Jahr 2000 gegründete "Animationsfabrik" für die Animationen des Films Another Day of Life verantwortlich, der jüngst in Cannes seine Weltpremiere feierte und von der Hamburger Firma Wüste Film koproduziert wurde. Der Film der Regisseure Raúl de la Fuente und Damian Nenow beweist eindrucksvoll, dass Animationsfilme keineswegs nur etwas für Kinder sind. Die beiden erzählen mit Another Day of Life die packende Geschichte einer dreimonatigen Reise des berühmten polnischen Reporters Ryszard Kapuściński durch das kriegszerstörte Angola. Auch die in Hamburg und Köln ansässige Firma Little Dream Entertainment von Ali Samadi Ahadi und Frank Geiger produziert Animationsfilme für ein erwachsenes Publikum. Im vergangenen Jahr gab es für den düsteren Iran-Film Teheran Tabu von Regisseur Ali Soozandeh zahlreiche Festivalauszeichnungen. Aktuell arbeitet das Produktions- und Verleihhaus an dem animierten Dokumentarfilm Kleine Germanen, der zeigen soll, wie Kinder in Neonazi-Familien aufwachsen. Die Regie übernimmt Inhaber Frank Geiger gemeinsam mit seinem "brave new work"-Kollegen Mohammad Farokhmanesh. Die Produktionsfirma WunderWerk hingegen  ist gerade dabei, die  berühmte Kinderbuchreihe  Die Olchis  als Animationsfilm umzusetzen. Einen Short Tiger gab es in diesem Jahr für den Kurzfilm Carlotta's Face des Hamburger Studios Fabian&Fred, das 2011 von Fabian Driehorst und Frédéric Schuld gegründet wurde. Für einen der erfolgreichsten deutschen Animationsfime des letzten Jahres ist die Produktionsfirma Akkord Film von Dirk Beinhold verantwortlich: Rund 318.000 Besucher schauten sich den Film Die Häschenschule – Jagd nach dem goldenen Ei in den deutschen Kinos an, der 2017 seine Premiere auf der Berlinale feierte.

Trailer - Another Day of Life

Doch es muss nicht immer ganz großes Kino sein, wie Ceylan Beyoglu beweist: Die Hamburgerin produziert unter dem Namen "Storykid Studio" Animationskurzfilme, die durch eine Kombination aus analogen und digitalen Techniken einen besonderen Charme versprühen und denen man die mühevolle Detailarbeit mehr als ansieht. „An meinen ersten beiden Kurzfilmen haben ich jeweils fast zwei Jahre gearbeitet, habe viele Fehler gemacht und daraus gelernt. Aber mit meinem aktuellen Projekt bin ich viel schneller. Früher konnte ich im Durchschnitt 12 Sekunden Animation pro Woche schaffen. Jetzt bin ich dabei eine neue Technik für mich zu entwickeln, mit der ich ungefähr zehn Sekunden pro Tag schaffe, verrät Beyoglu. Momentan ist sie ihre einzige Mitarbeiterin, bei Dingen wie Musikkomposition und Sounddesign kooperiert sie jedoch mit Partnern. Ihr Netzwerk hat sie durch Institutionen wie die AG Animationsfilm oder auch die jährliche Hamburg Animation Conference Stück für Stück ausgebaut. Das Animieren hat sie sich selbst mit der Hilfe von Büchern und Tutorials im Internet beigebracht. Ein langer Weg, der jetzt Früchte trägt – ihre Kurzfilme, die vollkommen ohne Dialoge auskommen und somit in jeder Sprache funktionieren, sprechen für sich.

Fast wie ein Gemälde: Ein Still aus dem Kurzfilm "Hier" von Ceylan Beyoglu

Generell gibt es natürlich einige Unterschiede in der Produktion, wenn man einen Animationsfilm mit einem Realfilm vergleicht: „Wir sind immer drinnen und haben nie mit schlechtem Wetter zu kämpfen – oder mit eventuellen Unstimmigkeiten zwischen Regie und Schauspielern", sagt Emely Christians mit einem Augenzwinkern. Ein grundlegender Unterschied sei jedoch der Schnitt: „Nachdem das Storyboard fertig ist und das Layout im 3D-Raum umgesetzt wurde, haben wir auch fast schon den fertigen Schnitt vorliegen. Am Ende schneiden wir nochmal ein paar Frames hier und da, aber generell produzieren wir so gut wie keine überschüssigen Sekunden. Das wäre viel zu teuer. Bei uns kostet eine Minute Film richtig viel Geld, deshalb ist eine genaue Planung durch unsere Herstellungs- und Produktionsleitungen und eine klare Vision des Films seitens der Regie unabdingbar", so Ulysses-Chefin Christians. Auch die Dialoge werden vor Beginn der Animationsarbeiten aufgenommen. Es wird also eine Art Hörspiel mit den Original-Sprechern auf Englisch gemacht: „Das haben die Animatoren dann als Basis, denn die müssen ja wissen, in welcher Stimmung sich die jeweilige Figur gerade befindet und wie oft sie, zum Beispiel beim Lachen oder Weinen, Luft holt", verrät Christians. Ein spannender Prozess, der mit einem Realfilm dann doch nicht mehr allzu viel gemein hat.

Trailer - Teheran Tabu

Credits: Überflieger: Wildbunch; Ooops, die Arche ist weg...: Senator Entertainment; Luis und die Aliens: 20th Century Fox.; Another Day of Life: Pandora film; Teheran Tabu: Little Dream Entertainment; Hier: Storykid Studio
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