MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Hamburger Animationsfilme mit eigener Handschrift

21.05.2019 | Die Lauenstein-Brüder

Im Jahr 1990 haben sie den Oscar für ihren animierten Kurzfilm "Balance" bekommen. Mittlerweile machen sie abendfüllende Animationsfilme für die große Leinwand: Die beiden Hamburger Brüder Christoph und Wolfgang Lauenstein sind aktuell mit dem Kinderfilm "Die sagenhaften Vier" im Kino zu sehen. Wie die Regisseure und Drehbuchautoren zum Animationsfilm gekommen sind und was ihren unverwechselbaren Stil ausmacht, erfahrt ihr hier.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, die Geschichte der Bremer Stadtmusikanten neu zu erzählen?

Alles begann damit, dass die Stadt Bremen uns vor etwa 15 Jahren damit beauftragte, kleine animierte Clips mit den Bremer Stadtmusikanten zu kreieren, die die Stadt für ihre Bewerbung als Kulturhauptstadt 2010 verwenden wollte. Hierfür entwickelten wir ein ungewöhnliches Design der vier Tiere und produzierten vier kurze, handgemachte Knetanimationen der Bremer Stadtmusikanten. Das sehr grobe Knetdesign der vier Tiere kam sehr gut an. Und so wagten wir mit den Bremer Stadtmusikanten einen ersten Schritt in die Welt des langen Kinofilms, dieses Mal samt Fell und Federkleid.

Filmemacher aus Hamburg: Die Brüder Christoph (links) und Wolfgang Lauenstein
Warum habt ihr Katze Marnie in den Mittelpunkt eurer Geschichte gestellt?

Eigentlich sind alle vier Tiere Protagonisten. Aber es machte einfach dramaturgisch Sinn, nicht alle Vier gleichwertig zu erzählen. Daher haben wir der weltfremden Hauskatze Marnie mehr Raum in der Geschichte gegeben – sie treibt die Handlung letztlich voran. Es war uns besonders wichtig, eine spannende Choreografie von vier komplett unterschiedlichen Charakteren zu erschaffen. Es hat uns gereizt, die vier Bremer Stadtmusikanten nicht als allglatte Helden zu zeigen, sondern als vier gegen den Strich gebürstete Antihelden. Sie sollten keine austauschbaren Klischees, sondern im besten Sinne unverwechselbar sein. Ihre Unterschiedlichkeit und ihre allmähliche Annäherung stehen im Mittelpunkt der Geschichte und machen einen Großteil des Witzes aus.

Wie seid ihr auf Alexandra Neldel als Synchronsprecherin für Marnie gekommen?

Eine naive und dennoch liebenswerte Stimme. Sie hat Synchron-Erfahrung in der Hauptrolle von Disneys "Rapunzel - neu verföhnt". Sie macht das gut. Besonders glücklich sind wir auch mit den Stimmen vom Hahn und Hund. Sie heben den Film mit ihrer schauspielerischen Qualität nochmal auf ein höheres Level.

Katze Marnie und ihre tierischen Weggefährten auf der Flucht
Wenn ihr an eure Kindheit zurückdenkt: Welches waren eure liebsten Zeichentrickfilme?

"Aristocats" war unser allererster Kinofilm. Er hat damals großen Eindruck bei uns hinterlassen. Ebenso wie "Bernhard und Bianca". Aber ansonsten waren wir keine expliziten Trickfilmfans. Spielfilme haben uns viel mehr geprägt und uns als Jugendliche dazu inspiriert, selbst Filme machen zu wollen.

Wie seid ihr zum Animationsbereich gekommen? Was fasziniert euch so daran?

Jeder Filmemacher hat irgendwann einmal als Kind oder Jugendlicher damit angefangen, erste kleine Filmchen zu machen. Die meisten nehmen sich ein paar Freunde, die als Schauspieler vor der Kamera ran müssen. Unsere Freunde waren uns dafür leider nicht talentiert genug. Also entschieden wir uns dafür, die Schauspieler selbst zu "bauen" und zu animieren, um volle Kontrolle über sie zu haben – und in der Gestaltung von Welten völlig frei sein zu können. Beim Puppentrickfilm sind wir dann geblieben. Inspiration holten wir uns aber nicht aus anderen Trickfilmen, sondern von anspruchsvollen künstlerischen Spielfilmen der klassischen Filmgrößen (Antonioni, Truffaut, Bresson, Tarkowsky, Kubrick, Polanski...) Als der Wunsch, Filme auch beruflich zu machen, ernster wurde, haben wir uns sehr ausführlich darüber Gedanken gemacht, wie der perfekte Puppentrickfilm aussehen muss, was in diesem Genre stark ist und was nicht. Als Endergebnis dieser Überlegungen kam dann die Idee zu unserem Oscar-Film "Balance" heraus. Aber natürlich mögen wir auch mainstreamige, witzige Animationsfilme! Beispielsweise sind wir auch ganz große Fans von Pixar-Filmen.

Trailer - Luis und die Aliens

Woher holt ihr euch die Inspiration für eure Filme und wie nähert ihr euch einem Projekt?

Woher die Inspiration genau kommt, ist schwer zu sagen. Es gibt bei uns aber auf jeden Fall den Anspruch, eine Filmidee nur dann in einen Film umzusetzen, wenn sie etwas wirklich Originelles, Eigenständiges hat, das uns begeistert. Denn erst dann lohnt sich der gigantische Aufwand überhaupt. Und es gibt bei uns definitiv einen Hang zu schrägem, schwarzem Humor, der schon in "Balance" zu erkennen war, und der auch in unseren beiden Kino-Debutfilmen hier und da wiederzufinden ist – zum Beispiel, wenn in "Luis und die Aliens" die Aliens erklären, wie auf dem Planeten Erde Leben entstanden ist. Denn der Planet wurde früher von Außerirdischen als Mülldeponie genutzt. Daraus hat sich irgendwann merkwürdiges Leben gebildet... Oder in "Die sagenhaften Vier", wenn der Bauer es nicht übers Herz bringt selbst zu bestimmen, welches seiner Hühner im Suppentopf landen soll, und daher die Entscheidung den Hühnern überlässt...

Während "Luis und die Aliens" für uns nur eine Art erste Fingerübung war, haben wir versucht bei "Die sagenhaften Vier" noch etwas mehr von unserem eigenen Stil und Humor einzubringen und einen Film mit eigenwilliger Handschrift zu kreieren, der Ecken und Kanten hat, der in einem Moment total albern und durchgeknallt ist und im nächsten Moment poetisch und tiefgründig. Das hat uns gereizt. Zum Glück hatten wir mit Jan Bonath einen Produzenten, der so souverän war, uns die Freiheit zu geben, unsere eigene Handschrift durchzuziehen, trotz aller Kompromisse, die man durch das geringe Budget eingehen muss. Das Ergebnis ist noch keineswegs perfekt, aber der erste Schritt ist getan, um schöne, kleine Animationsfilme zu machen, die einen eigenwilligen, europäischen Stil haben und die sowohl Kinder als auch Erwachsene ansprechen können.

Trailer - Die sagenhaften Vier

Was hat sich für euch nach dem Oscar für "Balance" im Jahr 1990 geändert?

Alles. Uns war damals nicht einmal klar, dass man mit einem Kurzfilm einen Oscar gewinnen kann. Umso überraschter waren wir über den berühmten Anruf aus Hollywood, in dem uns mitgeteilt wurde, dass "Balance" für den Oscar in der Kategorie "best animated short" nominiert ist. Nach dem Gewinn des Oscar gab es in der deutschen Medienlandschaft einen echten kleinen Hype, den wir für uns nutzen wollten, indem wir spontan unser Filmstudium abbrachen und noch im selben Jahr unser eigenes kleines Filmstudio in Hamburg gründeten.

Ihr habt euch lange auf Stop Motion Filme spezialisiert – Filme wie "Luis und die Aliens" oder eben auch „Die sagenhaften Vier" haben nicht mehr viel damit gemein. Wie kam der Wandel?

Da wir immer neugierig sind, wollten wir uns der Herausforderung stellen und mit CGI mal etwas Neues ausprobieren. Es gab zwar kurz die Überlegung, die beiden Filme in Stopmotion umzusetzen. Aber wir wollten der Katze Marnie und ihren Freunden unbedingt Fell und Federkleid geben. Nicht zuletzt daher haben wir uns entschieden, die Filme in CGI zu produzieren. Allerdings haben wir bei "Die sagenhaften Vier" ganz bewusst das Stoptrick-Design der vier Tiere beibehalten, um etwas von dem typischen Stoptrick-Charme im Film zeigen zu können. Dadurch ist ein ganz interessanter Look entstanden, der sich von anderen CGI Filmen absetzt. Die Filme in Stoptrick Technik umzusetzen, wäre wohl etwas teurer und aufwändiger gewesen. Aber es kann sehr gut sein, dass einer unserer nächsten langen Kinofilme wieder in Stoptrick entstehen wird.

Wann seid ihr in die Hansestadt gezogen und wie eignet sich Hamburg als Animationsstandort für euch?

1990 haben wir, direkt im Jahr unseres Oscar-Gewinns, unser Studium abgebrochen und hier in Hamburg unser eigenes Filmstudio gegründet. Seitdem leben wir in Hamburg, und wollen die schönste Stadt der Welt auch nicht wieder verlassen. Mit der LAUENSTEIN&LAUENSTEIN Filmproduktion haben wir zahllose kurze Animationsfilme und Werbespots produziert, und in Zusammenarbeit mit Hamburger Firmen auch die Vertonung, digitale Bildbearbeitung etc. erarbeiten können. Das waren also alles rein hamburgische Produktionen.

Bei der Produktion unserer ersten beiden langen Kinofilme sah es ganz anders aus. Die haben wir ja nicht als Produzenten umgesetzt, sondern "nur" als Autoren und Regisseure. Für die Produktion dieser Filme haben wir uns jeweils ein deutsches Produktionshaus gesucht, das bereits Erfahrung mit der Produktion von langen animierten Kinofilmen hat. Der Mittelpunkt der Produktion dieser beiden Filme war zwar auch hier Hamburg, aber es gab diverse internationale Kreative und Koproduzenten, die wichtige Teile der Produktion übernommen hatten. Für "Die sagenhaften Vier" wurde beispielsweise das Modelling und Rendering von Set und Figuren in Belgien gemacht, die Animaiton in Indien, die Musik in Wiesbaden etc...

Könnt ihr euch vorstellen, irgendwann auch mal Realfilme zu machen?

Nein, die Arbeitsweise ist doch zu weit weg von der Produktion eines Animationsfilmes.

Beitrag teilen
  • Auf facebook teilen
  • Auf x teilen
  • Auf linkedin teilen