MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Banden bilden

15.05.2017 | Treatmentförderung

Zwei Autor*innen-Teams brüten gerade über ihren Drehbüchern, für die sie von der Filmförderung frühzeitig finanziell unterstützt wurden. Samuel Schultschik und Volker Schmitt erzählen mit Santa Pauli eine Gaunerkomödie vom Kiez, mit Under Pressure entwickeln Monika Fäßler und Charlotte Rolfes eine moderne Familiengeschichte mit starker weiblicher Hauptfigur. Wir haben die Vier kurz bei der Arbeit gestört und gefragt, wie's läuft.

Ihr lebt und arbeitet in Hamburg. Was ist für euch als Autor*innen spannend an diesem Standort?

Charlotte: Ich glaube, dass Hamburg zum Filmemachen so attraktiv ist, weil es eine vergleichsweise kleine Filmfamilie ist. Die Vertrautheit genieße ich auf jeden Fall. Hamburg ist für unsere Hauptfigur ein Tor zur Welt - Hamburg passt also!

Volker: Es passt tatsächlich mit unserem Stoff Santa Pauli super zusammen, denn wir haben beide jahrelang auf dem Kiez gewohnt und man kann sagen, dass ein guter Teil unserer Begeisterung für Hamburg in Sankt Pauli verwurzelt ist. Insbesondere der Hafen vermittelt so ein immer präsentes Gefühl von Weite und Möglichkeiten. Naja und als Autoren erlebt und belauscht man hier natürlich bizarre Geschichten und Figuren.

Samuel: Und ganz allgemein hat sich in Hamburg in den letzten Jahren eine sehr dynamische Filmszene entwickelt. Die Branche ist zwar überschaubarer als in Berlin, aber super aktiv und total intensiv miteinander vernetzt. Wenn der Kuchen etwas kleiner ist, rücken die Leute um den Teller halt zusammen. Das hat natürlich Vor- und Nachteile, aber grundsätzlich hat Hamburg eine sehr konstruktive Energie. Da werden in Zukunft noch einige große Filme und Serien mit eigener Handschrift kommen.

Ihr arbeitet im Autor*innen-Team. Könnt ihr beschreiben, inwiefern sich das zur Solo-Arbeit unterscheidet?

Samuel: Halbes Geld!

Volker: Bei doppelter Arbeit – weil man immer erst den Kollegen überzeugen muss. (lachen)

Samuel: Im Ernst. Der Dialog macht das Arbeiten effizienter, weil alles der Kritik des Gegenübers ausgesetzt ist und standhalten muss. Es gilt das Recht des besseren Vorschlags.

Volker: Ja, und außerdem kann man sich auch gegenseitig pushen und in eine Manie reden, da entstehen dann mitunter die besten Ideen, weil man wirklich frei und verrückt sein kann. Dann macht die Arbeit am meisten Spaß.

Monika: Um als Team arbeiten zu können, muss man sich einfach gut ergänzen - sowohl inhaltlich, als auch fachlich. Charlotte und ich haben zwar viele ähnliche Gedanken, aber manchmal völlig unterschiedliche Perspektiven auf bestimmte Themen – und das macht die Zusammenarbeit dann spannend und auch einfacher, als wenn man sich alleine an einem Thema abarbeitet. Selbstgespräche sind einfach nicht so ergiebig. Wir können und wollen uns gegenseitig stärken und uns beschäftigen die gleichen Themen.

Volker: Samuel und ich haben uns im Studium kennengelernt und gemeinsam Kurzfilme gemacht. Daraus hat sich über die Jahre und Projekte eine gemeinsame Sprache entwickelt. Wir verstehen uns also tatsächlich recht gut. Sprachlich.

Samuel: So weiß man auch ohne großes Ausformulieren, wohin man will mit diesem oder jenem Vorschlag und so kann man sich gleich um das eigentliche Was-auch-Immer unterhalten. Wir müssen also den anderen nicht irgendwo abholen, weil wir eh schon zusammen unterwegs sind.

Volker: Das ist schön gesagt.

Samuel: Danke.

Ihr habt die erste Treatmentförderung erhalten. Was bedeutet diese Art der Förderung für euch und eure Arbeit?

Monika: Die Fördersumme ermöglicht uns schlichtweg, die Einreichung zur Drehbuch-Förderung erarbeiten zu können. Wer kann es sich leisten, umsonst zu arbeiten? Wir nicht. Gleichzeitig bekommt man natürlich auch Aufmerksamkeit, was ja nie verkehrt ist.

Charlotte: Die Treatmentförderung schließt eine wichtige finanzielle Lücke gerade im Nachwuchsbereich. Es ist einfach ein guter Push zwischen Exposé und Treatment, um durchzuhalten und dran zu bleiben, auch wenn die Geschichte noch frisch und zerbrechlich ist.

Samuel: Das erste grüne Licht ist oft das schwierigste, aber auch das wichtigste. Wenn eine Instanz mal an den Stoff glaubt, wird der anschließend mit einer anderen Aufmerksamkeit wahrgenommen. Die Treatmentförderung hat da den ersten Anstoß gegeben und uns ermöglicht mit voller Energie und Focus an dem Stoff zu arbeiten. Wenn man vom Schreiben leben will, muss man an die Sache auch etwas ökonomisch herangehen und bevor man ganze Treatments für die Tonne entwickelt, ist eine so frühe Unterstützung sehr hilfreich.

Volker: Ja, denn wie der Arbeitstitel Santa Pauli erkennen lässt, hat unser Stoff einen extremen Lokalbezug, und da ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein unsere Idee mag und fördert. Von daher hat uns die Treatmentförderung zum richtigen Zeitpunkt echt guten Wind gegeben.

Im Zuge der Förderung bekommt ihr auch eine dramaturgische Beratung. Wie läuft die Arbeit mit dem Dramaturgen ab? Und ist sie nützlich?

Charlotte: Wir hatten bereits einen spannenden und sehr konstruktiven Termin mit unserem dramaturgischen Berater Oliver Rauch. Er hat uns mit einem objektiven Blick über unsere bisherige Arbeit gute Denkansätze gegeben und einfach die Finger auf die Wunden gelegt – worauf müssen wir uns jetzt nochmal besonders konzentrieren: Figuren, Dramaturgie und/oder die Aussage? Das war sehr hilfreich. Danke nochmal.

Samuel: Das Konzept ist, dass der Dramaturg in einem ersten Gespräch seine Anmerkungen und Gedanken zum Stoff gibt. Dann arbeitet man als Autoren daran weiter und kann sich mit Fragen bei ihm melden. Und am Ende gibt es ein Lektorat zum fertigen Treatment. In unserem Fall war das ein tolles und bereicherndes Gespräch. Der Dramaturg mochte das Genre auch. Es war eine konzentrierte Arbeit an den Baustellen des Stoffes, die ja oft in den Tiefen der Dramaturgie erst gefunden werden müssen.

Volker: Haha, das klingt sehr nach Bergbau. Es hat gut getan, fast drei Stunden mit einem Fachmann konzentriert über unsere Geschichte zu reden. Und zwar konkret über Form und Inhalt. Das hält man vielleicht für selbstverständlich, in unserer Erfahrung ist es das aber längst nicht immer. Wir sind hochmotiviert aus dem Treffen mit dem Dramaturgen mit einem Stapel nützlicher Notizen gegangen und haben uns auch am Schluss in seinem Lektorat wiedergefunden. Die Erfahrung war insgesamt super.

Woher stammt eigentlich eure Stoffidee? Und wieso wollt ihr genau diese Geschichte erzählen?

Samuel & Volker: (gleichzeitig) Das war meine Idee! (Pause)

Samuel: Hm. Die Frage ist schwierig zu beantworten. Wir wollen ja immerhin auch andere Geschichten erzählen. Sonst hätte jeder Autor ja nur eine Geschichte.

Volker: Noch ein Grund warum wir als Team arbeiten, so hätten wir zumindest zwei ...

Monika: Charlotte und ich wollen eine Frau erzählen, die mit den ganzen bescheuerten Anforderungen, die unsere Gesellschaft an uns "moderne Frauen" richtet, überhaupt nichts anfangen kann, aber trotzdem total davon betroffen ist. Niemand kann sich den Erwartungen entziehen, sie sind einfach zu präsent. Das nervt und das wollen wir ändern. Wir erzählen von diesem Dilemma innerhalb einer Familie. So als wäre die Familie ein Abbild unserer Gesellschaft in Miniaturform.

Charlotte: Unser Stoff ist eine Coming-Of-Family Komödie, verpackt in die persönlichen Tragödien ihrer Mitglieder. Mich bewegt die Frage sehr, dass Familienbanden auf dem Weg zwischen Ein-Zimmer-Apartments und erfolgreicher Karriere einfach aussterben und wir bei immer höherem Erwartungsdruck Stück für Stück vereinsamen. "Bildet Banden!", egal ob im Familienverbund, im Kollektiv oder sonst wie. Das ist auf jeden Fall auch eine Aussage des Films.

Samuel: Santa Pauli passt jetzt sehr gut rein, weil wir gern Geschichten erzählen, die ein bisschen "bigger than life" sind. Wir wollten eine Gaunerkomödie erzählen, aber da sind durchaus auch Märchenelemente drin. Dafür bietet Sankt Pauli eine optimale Grundlage.

Volker: Wir sind Romantiker! (lacht) Aber es stimmt schon. Das gilt für die alten schillernden Geschichten, aber eben auch für das brummende Hier und Jetzt. Klar gibt es Nostalgie und wir sind auch überhaupt nicht frei davon. Im Gegenteil: Viele Läden von vor zehn bis 15 Jahren gibt es nicht mehr. Einige gibt es noch. Und ich bin sicher im "Goldenen Handschuh" könnte man sich in 30 Jahren verabreden, dann gibt es den immer noch! Aber Sankt Pauli war eben auch schon immer im Umbruch. St. Pauli war nie ein "Ist-Zustand", sondern immer voll im "Werden". Und egal ob Erfolg oder Scheitern, im Werden steckt immer ein Versprechen. Wie sich das einlöst, ist immer spannend.

Wie soll es mit euren Projekten weitergehen? Was sind eure Träume?

Monika: Wir wollen Under Pressure im Kino sehen als starke, deutsche (Indie)-Komödie. Wir reichen so schnell es geht zur Drehbuchförderung ein, im besten Fall mit einer starken Produktionsfirma an unserer Seite.

Samuel: Genau. Das Treatment ist fertig und jetzt hoffen wir auf Drehbuchförderung.

Volker: Wir freuen uns darauf, den Stoff weiter auszuarbeiten und ein starkes Buch zu schreiben – das ist ja die Voraussetzung, dass es mit dem Projekt weitergeht. Wir sind erstmal sehr dankbar, wenn wir mit unseren Partnern einen tollen Film realisieren können, der dann auf der Kinoleinwand zu sehen sein wird.

Samuel: Und Träume, hm es ist schon gefährlich, wenn man Autoren nach ihren Träumen fragt. Ich glaube, das würde hier den Rahmen sprengen... (alle lachen)

Credits: privat
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