
"Stilvoll alt werden – so soll es sein"
07.02.2019 | Fatih Akin @Berlinale

15 Jahre nach seinem Goldenen Bären für "Gegen die Wand" tritt Fatih Akin dieses Jahr erneut im Wettbewerb der Berlinale an – doch anders, als man vielleicht meinen könnte: Mit "Der Goldene Handschuh" schickt Hamburgs Kultregisseur einen waschechten Horrorfilm ins Rennen. Wir haben mit Akin über seinen grandiosen Hauptdarsteller Jonas Dassler, die Reeperbahn im Wandel der Zeit und das Horrorgenre an sich gesprochen.
- Jonas Dassler ist mit seinen 23 Jahren eigentlich viel zu jung für die Rolle des Honka und sieht zudem noch sehr gut aus. Schlechte Grundvoraussetzungen für die Rolle des Frauenmörders. Warum hast du dich dennoch für ihn entschieden?
Jonas Dassler ist ein herausragender Schauspieler, wie es sie nur alle paar Jahre gibt. Mit so jemanden möchte ich auf jeden Fall arbeiten, weil die Arbeit zum Genuss wird. Außerdem hätte jeder Schauspieler viel Maske über sich ergehen lassen müssen, weil meine Vision von Honka extrem hässlich ist. Wie Anthony Quinn in "Der Glöckner von Notre Dame". Also konnte ich auch einen jungen Schauspieler besetzen. Und da Jonas Dassler im Casting so gut war, habe ich es gerne mit ihm riskiert. Hat sich gelohnt.

- Was hat dich an dem Genre des Horrorfilms gereizt und mit welchen Horrorfilmelementen spielt der Film?
Horror ist zur Zeit das einzige Genre, das im Kino beständig gut läuft. Allein deswegen reizt es mich, das Genre zu studieren. Ich hege eine große Bewunderung für NewLine und Blumhouse. Und Honka gilt in Hamburg als Schreckensfigur, als Monster – da lag es nahe mit Horrorelementen zu arbeiten. Die Vorbilder waren Filme wie "Henry: Porträt of a Serial Killer" (JohnMcNaughton), "Freaks" (Todd Browning), "Frankenstein" (James Whale), aber auch "Funny Games" (Michael Haneke) und "Tore tanzt" von Katrin Gebbe, den ich dem Genre zuordne, weil er mich beim Gucken sehr beunruhigt hat.
Trailer - Der Goldene Handschuh

- Wie habt ihr es geschafft, das Hamburg und speziell die Reeperbahn der 70er zum Leben zu erwecken?
Das ist vor allem die Leistung von meinem Ausstatter Tamo Kunz und meiner Kostümbildnerin Katrin Aschendorf.
- Was hat dir an der Romanvorlage von Heinz Strunk besonders gefallen? Denn das Buch ist ja echt harter Tobak!
Ich mag das Buch vor allem, weil es mich an Charles Bukowski erinnert, den ich schon immer verfilmen wollte. Das Buch von Strunk liegt mir jedoch näher, weil es in Hamburg-Altona stattfindet, meinem Geburtstort. Und weil es eben auch eine Serienmörder-Geschichte ist, was ein klassisches Element der Populärkultur ist. Außerdem hat es mich gereizt, die Härte visuell umzusetzen. Da ist viel Technik gefragt, was mich immer interessiert.

- Wärst du selbst gerne in den 70ern mal über die Reeperbahn gezogen oder gefällt es dir so, wie es heute ist?
Dafür bräuchte ich eine Zeitmaschine. Und wenn ich die hätte, würde ich wahrscheinlich in die Zukunft fliegen, um zu sehen was los ist. Aber ich fand die Klamotten in den 70ern sexier als den Mist heute. Auch die Autos waren schöner. Man fragt sich, welche Drogen die Autodesigner von heute nehmen.
- Die Kneipe „Zum Goldenen Handschuh" steht nach wie vor auf dem Hamburger Berg. Welches sind aktuell deine Lieblingskneipen in Hamburg?
Lunacy, Handschuh, Honk Kong.

- "Der Goldene Handschuh" feiert 15 Jahre nach „Gegen die Wand" seine Premiere im Wettbewerb der Berlinale. Was hättest du jemandem im Jahr 2004 gesagt, wenn er dir erzählt hätte, dass du in 15 Jahren mit einem Horrorfilm im Wettbewerb antreten würdest?
Stilvoll alt werden. So soll es sein.
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